Die Frau Ministerin gratulierte der Kammerpräsidentin in Oberösterreich und ihrem Kollegen in der Steiermark zum Ergebnis bei den Kammerwahlen, der Präsident der LK Österreich tat es und der des Bauernbunds sowieso. Dass der Bauernbund da wie dort die mehr als zwei Drittel Stimmen – in der Steiermark sogar mehr als 70 Prozent bekam, darf sie auch mit Freude erfüllen. Mit dem Stolz, den man bei solchen Gelegenheiten auch immer gerne im Mund führt, ist das freilich schon so eine Sache. Denn da ist noch ein Thema, über das man gar nicht reden mag, über das man aber dringend reden sollte – die Wahlbeteiligung an den Landwirtschaftskammerwahlen. Und da ist nichts mit Stolz. Gar nichts.
Sie lag in beiden Bundesländern abermals deutlich unter den
Werten der vorangegangenen Wahlen. In Oberösterreich rutschte sie von 53,6
Prozent bei den Wahlen 2015 unter die 50 Prozent-Marke auf 49,04 Prozent. In
der Steiermark gingen überhaupt nur 30 Prozent der Wahlberechtigten zu den
Wahlen. Das ist eigentlich nichts denn peinlich.
Eine Vertretung, der ihre Mitglieder in einem derartigen
Ausmaß die kalte Schulter zeigen, hat wohl dringenden Bedarf, die Ursachen
dafür zu erforschen. Ernsthaft, ohne Wenn und Aber, ohne Rücksichten und ohne
sich selbst zu belügen. Das bleibt der Landwirtschaftskammer in Oberösterreich
nicht erspart und der in der Steiermark schon gar nicht. Und auch nicht all den
anderen Kammern.
Für sie führt kein Weg herum, die Bauern wieder zu
erreichen. Sonst wird sie gar nicht mehr ernst genommen. Nicht von den Bauern
selbst, aber auch nicht von der Politik und der Gesellschaft, in der sie die
Interessen der Bauern vertreten sollten. Zu dröge ist man oft, zu sehr auf das
Bewahren bedacht, viel zu oft passiv und in Dauerverteidigung gefangen und in
der Vergangenheit. Man hat im Bestreben, die Bauern vor Veränderungen zu
schützen, an Glaubwürdigkeit eingebüßt und den Zug der Zeit verpasst. Wenn es
um agrarische Themen geht, glaubt die Gesellschaft heute NGO, Handelsketten,
Influencern im Internet und selbstherrlichen „Wutbauern“ mehr als den Experten
der Kammern. Oft drängt sich der Eindruck auf, es gehe Kammermitarbeiten und
Funktionären mehr um den Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes und der eigenen
Bedeutung als um die Erhaltung der Höfe.
Darüber hat man auch die Bauern und ihre Bedürfnisse oft aus
den Augen verloren. Mit neuen Trends in der Gesellschaft, auf den Märkten und
in der Produktion weiß man oft nur wenig anzufangen. Man versteht sich zuweilen
großartig auf die Vertretung der Interessen von Bauern, die mit dem Wandel und
den Anforderungen der Gesellschaft nicht zurecht kommen. Man hat aber für die
vielen vor allem jungen Bauern, die Landwirtschaft als Chance begreifen und
nicht als Bedrohung, die davon leben wollen und die neue Ideen haben und die
auch verwirklichen wollen, mitunter nur sehr wenig zu bieten. Für sie und ihre
Bedürfnisse hat man oft nur wenig Verständnis, zu wenig Antworten, zu selten
Rat. Und schon gar keine Vision.
Dass sich in manchen Landwirtschaftskammern in den
vergangenen Jahren manches verändert hat ist anzuerkennen. Aber es war allem
Anschein nach viel zu wenig.
Gmeiner meint - Blick ins Land, 4. Februar 2021
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