Donnerstag, 25. November 2021

"Entschuldigung bitte" - und alles ist gut?

Niemand könne alles richtig machen, sagte der oberösterreichische Landeshauptmann, nachdem der Lockdown verhängt war, mit einer ordentlichen Portion Betroffenheit in der Stimme. Sein steirischer Amtskollege redete etwas von einem "erbärmlichen Bild", das man abgegeben habe und gab in seiner ganzen Tonalität der Hoffnung auf Nachsicht Ausdruck. Der Gesundheitsminister sagt schlicht und einfach - und als Erster - "Entschuldigung". Der Bundeskanzler brachte das erst nach mehreren Aufforderungen zustande.

Was soll das Entschuldigungs-Getue jetzt, fragt man sich als Beobachter und als Betroffener eines Staatsversagens, das Österreich weltweit Schlagzeilen, Kopfschütteln und Verwunderung beschert und uns allen wieder einen mehrwöchigen Lockdown. Soll man jetzt sagen "Schwamm drüber" und wirklich Verständnis haben für die Starrköpfigkeit der vergangenen Wochen und Monate, für das Lavieren, das Wegducken, für das Nichtstun, für die taktischen Polit-Spielchen und für die Feigheit, Entscheidungen zu treffen? "Entschuldigung bitte" - und alles ist gut? Ganz abgesehen davon, dass vom ehemaligen Kanzler, der nach wie vor Obmann der größten Partei im Nationalrat und für viele der eigentlich Verantwortliche für das Desaster ist, eine Entschuldigung ohnehin fehlt.

Da drängt sich der Verdacht auf, dass der einzige Grund für all die Selbstkritik und Entschuldigungen ist, dass man (man hört geradezu die Empfehlungen all der Einflüsterer im Hintergrund) glaubt, dass das jetzt gut ankommt beim Wahlvolk. Schließlich geht es ja weiterhin um uns als potenzielle Stimmenbringer.

Was wir in diesen Tagen erleben, fügt sich in das, was wir seit Jahren kennen und oft sehr viel eher an Polit-Show denn an wirkliche Politik gemahnt. Genau das ist es wohl auch zu einem guten Teil, das uns schnurstracks in die aktuelle Krise geführt hat. Nun geht es freilich nicht mehr nur um Stimmen, Geld, Einfluss und Macht, sondern schlicht um Menschenleben.

Verfangen und verblendet von parteipolitischen Handlungs-und Kommunikationsstrategien hat man in den vergangenen Jahren den Blick auf die eigentlichen Aufgaben der Politik verloren. Taktische Spielchen wurden mit Politik verwechselt. Nicht die Sache, nicht die Menschen, sondern die eigene Karriere und das Fortkommen der Partei wurden zu den wichtigsten Parametern. "Mache ich etwas, das mir vielleicht als Partei schadet, oder mache ich etwas nur, weil es einer anderen Partei schadet", beschrieb Peter Filzmaier unlängst diese Unkultur. Politik wurde zunehmend missverstanden als Baukasten, aus dem man glaubt, sich Mehrheiten zusammenzimmern zu können. Nicht Leistung oder Bedarf zählten, sondern Zustimmung und Stimmen. Das ewige Schielen nach Quoten hat die Politik verdorben und die Entscheidungsfähigkeit geschwächt. Man hat damit wohl auch Vertrauen verspielt und Lösungskompetenz.

Da war der medial gehypte Impfstart mit ein paar wenigen Impfdosen und viel Scheinwerferlicht zu Beginn dieses Jahres. Da war der Kurz-Trip zu Netanyahu nach Israel und die Ankündigung einer Kooperation. Da hieß es im April, dass "binnen 100 Tage" alle mit Sputnik geimpft sein werden. Dann die Verkündung des Pandemieendes im Sommer. Hohle PR, heiße Luft, vertane Zeit, Wegschauen, weil man keinen Nutzen für sich und die Partei sah, oder weil man sich, wie in Oberösterreich vor den Wahlen, nicht beschädigen wollte.

Die Coronakrise ist der Gipfel dieser Entwicklung und dieses Politik-Verständnisses, das in Österreich schon so viel verhindert und kaputt gemacht hat. Es wird nicht nach bestem Wissen und Gewissen entschieden und die Politik ausgerichtet, sondern nach der größten Zustimmung. Längst geht es nicht mehr um das Staatsganze, um das Gemeinwohl gar, sondern viel zu oft nur um partikuläre und eigene Interessen. Es fehlt an Grundsätzen und Visionen für die Gesellschaft. Alles scheint austauschbar geworden. Am Ende dieser Entwicklung steht eine Orientierungslosigkeit, die nicht mehr zwischen Wirklichkeit und Umfragewerten unterscheiden kann. Die nicht mehr weiß, was in Situationen, wie wir sie jetzt haben, zu tun ist.

In diesem Klima hat die Politik, die meinte alles steuern und erreichen zu können, in ihrer selbstherrlichen Eitelkeit auch die Menschen verloren. Vor allem jene, die man jetzt nicht mehr zu erreichen vermag, wo es bei der Impfung wirklich um etwas ginge.

Aus all dem mit einem "Entschuldigung" davonkommen erscheint allzu billig.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. November 2021

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