Donnerstag, 27. Juli 2023

Ab-Hof-Verkauf boomt auch nach der Krise

17.000 heimische Bauern erzielen mittlerweile den Großteil ihres Einkommens mit Direktvermarktung.

Hans Gmeiner

Salzburg. „Es war ein regelrechter Hype im ersten Jahr der Pandemie 2020“, erinnert sich Karl Grabmayr. „Auf unserem Hof und über Bauernläden haben wir plötzlich um 50 Prozent mehr verkauft“, sagt der oberösterreichische Landwirt, der seit Juni Obmann der bäuerlichen Direktvermarkter in Österreich ist. Die Zeiten dieser exorbitanten Zuwachsraten sind zwar vorbei, „aber um zehn bis zwölf Prozent ist unser Ab-Hof-Geschäft in den Jahren seither schon gewachsen“, sagt Grabmayr. Und das nicht nur bei ihm.

Die bäuerliche Direktvermarktung ist in Österreich keine verschwindende Kategorie mehr, sondern zu einer relevanten Größe in der Landwirtschaft geworden – und ein professionelles Geschäft. Ab-Hof-Verkaufsstellen sind modern ausgestattet, oft in Selbstbedienung mit elektronischem Zugangs- und Bezahlsystem und mit Verkauf durch Personal nur an bestimmten Tagen. Bei immer mehr Bauern kann man online bestellen und viele nutzen Vermarktungsplattformen oder bieten Produkte über Gemeinschaftsläden an.

Rund 30.000 der insgesamt 110.000 bäuerlichen Betriebe vermarkten einen Teil ihrer Produkte ab Hof, 17.000 davon erwirtschaften inzwischen sogar den Großteil ihres Einkommens aus der Direktvermarktung. Und es könnten bald noch mehr sein. „Schon vor der Pandemie war von bäuerlicher Seite ein deutlicher Anstieg der Nachfrage nach Beratung und Unterstützung spürbar.“

Daran hat sich nichts geändert. Viele Bauern suchen neue Einkommensmöglichkeiten und wollen die Gunst der Stunde nutzen. Auch wenn der große Boom vorüber sei, „ist viel hängen geblieben“, sagt Martina Ortner von der Landwirtschaftskammer Österreich, die den Verband als Geschäftsführerin betreut. „Es wurden neue Kunden gewonnen und die Bestehenden bestärkt, weil man gesehen hat, dass der Einkauf direkt bei den Bauern auch während der Pandemie funktionierte“, sagt sie. „Man hat sich plötzlich auf die Region und die Bauern, die da vor der eigenen Haustür ihre Produkte erzeugen, besonnen.“ Neben dem Angebot und der Qualität der Produkte ist es vor allem die Zuverlässigkeit, die zu den großen Stärken der Direktvermarkter zählt. „Sie erzeugen ihre Produkte selbst, sind mit ihrem Angebot breit aufgestellt“, sagt Ortner.

Auch wenn in den vergangenen Jahren neue Vertriebsformen für viel Aufsehen sorgten, sind die klassischen Vertriebswege auch heute noch die mit Abstand wichtigsten. „Der klassische bäuerliche Direktvermarkter steht auf dem Markt, verkauft seine Produkte ab Hof oder beliefert einen Bauernladen“, sagt Grabmayr. Landwirtschaftsfremde Anbieter, die mit Selbstbedienungsboxen in der Pandemie den Bauern helfen, aber auch Geld machen wollten, tun sich hingegen schwer. Viele sind inzwischen wieder verschwunden. „Das kann nicht wirklich funktionieren“, sagt Ortner. „Den besten Effekt haben die Bauern, wenn sie selbst verkaufen und nicht wieder über Dritte, das verschluckt einen Teil des Ertrags.“

Im Durchschnitt bringt ein bäuerlicher Direktvermarkter seine Produkte über drei bis fünf Vertriebsschienen an die Konsumenten, weiß Ortner. „90 Prozent haben einen Ab-Hof-Verkauf, etwa ein Viertel fährt auf Märkte, rund 20 Prozent beliefern Gastrokunden oder den Lebensmittelhandel und zehn Prozent bieten ihre Ware auch online an.“ Mit einem Anteil von 75 Prozent wird im Ab-Hof-Verkauf auch der meiste Umsatz gemacht.

Die Bedeutung der bäuerlichen Direktvermarktung auf dem Lebensmittelmarkt bleibt allen Zuwächsen zum Trotz überschaubar. „Über alle Produkte beträgt der Marktanteil 3,5 bis vier Prozent“ sagt Ortner. „Bei Eiern ist er größer, bei anderen kleiner, wir haben leider keine aktuellen Zahlen.“

Das hat auch damit zu tun, dass die Organisation der Direktvermarkter schwierige Jahre hinter sich hat, weil man mit der Marke „Gutes vom Bauernhof“ im Zuge der Neuordnung des Agrarmarketings lange keinen rechten Platz fand. Nun ist es gelungen, sich neu aufzustellen. Der neu gegründete Bundesverband, der von den Landesverbänden und der Landwirtschaftskammer getragen wird, wird die Marke weiterentwickeln. Die AMA ist mit dem Genussregion-Siegel an Bord. 1600 Mitglieder gehören dem Verband derzeit an.

Zu tun gibt es genug. Es soll dabei neben der Entwicklung der Marke und der Unterstützung der Mitglieder um die „Sichtbarmachung“, wie Ortner das nennt, gehen. „Es ist wichtig, dass man die Gutes-vom-Bauernhof-Betriebe als bäuerliche Betriebe erkennt“, sagt sie.

Sie und Grabmayr hoffen nicht nur dabei auf politische Unterstützung. Sorgen macht vor allem, dass die bäuerlichen Direktvermarkter mit Kontrollen und Registrierungspflichten überfordert werden könnten. „Wir spüren das im Hintergrund“, sagen sie. „Dabei wollen die Leute nicht das Große bis in jedes Detail Überwachte in der agrarischen Produktion, sondern das Differenzierte und Unterschiedliche.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 27. Juli 2023

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