Donnerstag, 14. September 2023

Wie wir uns den Kickl machen

Die Aufregung wächst im Land, die Aufgeregtheit auch. Die Stimmung heizt sich auf, als Wahlkampfstimmung gar wird immer öfter beurteilt, was wir in diesen Wochen erleben. Im Zentrum aller Spekulationen steht einer, der das Ganze am unaufgeregtesten beobachten kann, weil alles auf ihn zuzulaufen scheint. Herbert Kickl ist der Mann, der in der Innenpolitik die stärksten Karten in der Hand hat und um den sich alles dreht. Für den alles zu laufen scheint, auch wenn er nichts dazu beiträgt. Die Magazine des Landes liefern große Geschichten über ihn, als gehe es um einen Wettlauf. "Ist Herbert Kickl noch zu stoppen?" schreit es von den Titelseiten, man fragt "Kanzler Kickl?". Und mit Geschichten wie "Vom Redenschreiber zum FPÖ-Chef" wird allerorten an der Heldensaga gestrickt. Und das alles, obwohl ihn angeblich keiner will, schon gar keiner von denen, die da über ihn schreiben, die ihn für eine Gefahr halten und vor ihm zu warnen. Dass sie damit genau das Gegenteil erreichen, ist, wie schon seinerzeit bei Jörg Haider, kein Thema, darf offenbar kein Thema sein, sonst müsste man die eigene Unfähigkeit und das eigene Versagen eingestehen. 

Dabei ist nicht zu übersehen - je mehr über Kickl geschrieben wird, desto besser werden seine Umfragewerte und desto größer die Gefahr, vor der man wortreich warnt und die man verhindern will - ein Kanzler namens Herbert Kickl. Dabei machte der schon seinerzeit als Kurzzeit-Innenminister nicht nur auf dem hohen Ross schlechte Figur. 

Die mediale Dauererregtheit ist nicht das einzige, das an dieser, man kann es ruhig Kickl-Mania, nennen, Schuld trägt. In all den aufgeregten Analysen, Papieren und Reden ist kaum etwas zu finden in dem Kickls Ansichten, Ideen und Pläne Stück für Stück auseinandergenommen werden, die aufzeigen was schlecht ist an ihnen und was gar nicht geht. Da verharrt man lieber in den ewigen - und natürlich zu Recht erhobenen - Vorwürfen, dass er ein Rechtsaußen ist und ergeht sich sehr viel lieber in der eigenen Gutheit, einen wie ihn wortreich abzukanzeln, als dass man Fakten liefert, die auch jene verstehen, die Kickl wählen und wählen wollen. 

Bemerkenswert ist auch wie wenig man sich mit Kickls politischem Schaffen mit seinem Scheitern und mit seinen Verfehlungen als Innenminister oder mit der Postenschacherei und schrägen Personalentscheidungen in seinem Umfeld auseinandersetzt. Sie kommen kaum vor, schon gar nicht als substanzielle Analyse. So als hätte an alles vergessen und so, als sei es im Nachhinein als verzeihlich anzusehen. Dabei hätte der jetzige FP-Chef angesichts der Performance, die er als Träger einer offiziellen und verantwortungsvollen Position in diesem Land lieferte, durchaus die Punze "Polit-Pleitier" verdient, der dem Land nachhaltig Schaden zugefügt hat.  Und gar nicht zu reden davon, wie leicht man ihn aus Ibiza entkommen ließ. 

Stattdessen, und das ist ein weiteres Thema, das in der Diskussion unterbelichtet erscheint, macht man alle anderen schlecht, die Kickl verhindern könnten und müssten - von Nehammer, über Meinl-Reisinger bis Babler. Dass jetzt auch wieder Kurz über allem schwebt macht die Sache nur noch schlimmer. Was sollen da die Leute denken? Wen sollen sie wählen?

Kickl darf sich die Hände reiben. Die Arbeit wird für ihn erledigt. Da können Nehammer und auch der Bundespräsident noch so oft sagen "Nicht mit Kickl". Wenn man so weiter macht, kommt Kickl nicht einmal in die Gefahr Fehler zu machen, weil er keine machen muss. Er muss nichts anderes tun, als das, was er immer tut - lästern, provozieren, Missstände aufzeigen. 

Deutschland hat ähnliche Probleme mit der AfD, wie sie Österreich mit der FPÖ hat. Man erklärt die Leute, die diese Partei und ihre Protagonisten wählen für unterbelichtet, und jagt gleichzeitig die Regierungsparteien und CDU, CSU und wie sie alle heißen Tag für Tag wie die sprichwörtliche Sau durchs Dorf als gäbe es kein Morgen und wird nicht müde sie allesamt für
unfähig zu erklären.

Das aber ist keine Basis Leute wie Kickl oder Parteien wie die FPÖ oder in Deutschland die AfD in den Griff zu kriegen. Im Gegenteil. Sie werden dadurch nur stärker. Nicht umsonst kann es sich Kickl mit einem Mal leisten sich von den Identitären nicht mehr zu distanzieren und sie zu einer NGO zu machen - genauso wenig wie von dem ungeheuerlichen Video der Freiheitlichen Jugend.  

Aber davon will niemand hören. Schon gar nicht die, die immer vorgeben Kickl verhindern zu wollen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14. September 2023



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