Samstag, 12. Juni 2010

Im Griff der grauen Panther





Die Bauern zählen zu den Berufsgruppen, die am frühesten in Pension gehen. Man hört das gar nicht gerne, aber es ist so. Aus welchen Gründen auch immer. Das trägt dazu bei, dass man in Österreich auf einen hohen Anteil an relativ jungen Betriebsführern und - das tut man noch viel lieber - auf einen hohen Anteil von Betriebsführerinnen verweisen kann. Zumindest auf dem Papier hat das jedenfalls seine Richtigkeit.

Die Praxis freilich ist ab und zu eine andere. Oft führen die Jung-Pensionisten ihr Regime weiter wie immer. Damit kommen viele Übernehmer gut zurecht und halten es mit dem Spruch "Gott erhalte mir die Arbeitskraft meiner Pensionisten". Andere kommen damit weniger gut zurecht, weil die Alten zwar gerne die Pension, aber nicht den Hut nehmen wollen. Die leiden dann drunter - oft bis zur Selbstaufgabe.

So weit, so üblich in der heimischen Landwirtschaft. Alles hat seine positiven und negativen Seiten. Dass es da in der Agrarpolitik kaum anders ist, ist in diesem Umfeld kein Wunder. Fast die Hälfte der Kammerpräsidenten sind Großväter. Manche derer, die die Agrarpolitik für die nächsten Jahre verhandeln und damit auf Jahre die Zukunft der heimischen Bauern bestimmen, haben ihre Betriebe längst übergeben. Der Älteste ist 66 und wurde gerade wieder für vier Jahre ins Präsidium der Landwirtschaftskammer Österreich gewählt.

Nur Zyniker fühlen sich an den seinerzeitigen obersten Sowjet erinnert, dessen Mitglieder, kaum einer unter 70, das System mit festem Griff in den Abgrund führten.

A priori muss Alter auch in der Agrarpolitik natürlich nicht von Nachteil sein für die Bauernschaft. Ganz und gar nicht. Die Erfahrung dieser Leute kann gerade in der derzeitigen Phase der Agrarpolitik sehr wertvoll sein. Bemerkenswert ist das Alter mancher Spitzenfunktionäre dennoch, weil es doch die Frage aufwirft, was mit dem politischen Nachwuchs ist. Gibt es ihn nicht? Wird er blockiert? Ist er zu schwach?

Spärlich ist er jedenfalls. Leute wie Hermann Schultes in Niederösterreich oder Franz Reisecker in Oberösterreich, die seit Jahren als Zukunftshoffnungen der heimischen Agrarpolitik gelten, sind beide selbst mittlerweile schon gut in den Fünfzigern. Und dann? Auf Bundesebene tun sich da allenfalls noch der Vorarlberger Kammerpräsident Josef Moosbrugger (Jahrgang 1966) und Ernst Karpfinger, der Präsident der Rübenbauern (Jahrgang 1968), hervor. Unter den Agrarlandesräten sticht in Sachen "jung" einzig der Niederösterreicher Stephan Pernkopf (Jahrgang 1972) heraus. Und sonst? Ach ja, und da ist noch die Frau Köstinger, die sich in Brüssel versucht.

Wirklich gut ist das alles nicht. Da gehen allzu oft die Bedürfnisse von Sesselklebern eine unheilvolle Allianz mit den Bedürfnissen jener ein, die sie eigentlich ablösen sollten. Die einen wollen nicht weg, die anderen wollen nicht hin. Agrarpolitik ist für die meisten wenig attraktiv, die Bauerninteressen zu vertreten kein Honiglecken. Und Zeit hat man ohnehin nicht. Da lässt man es lieber gleich bleiben - zumal dann, wenn man sieht, dass man ohnehin nicht unbedingt erwartet wird.

Auf der Strecke bleibt die Bauernvertretung, derer sich unter diesen Umständen kaum jemand annehmen will. Da kann es leicht sein, dass das "Modell Grillitsch" die Zukunft wird. Der Bauernbundpräsident ist Großvater und junger Vater gleichzeitig. Aber das ist eine andere Geschichte.

Blick ins Land 12. Juni 2010

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