Donnerstag, 27. Februar 2014

Land der Rosinenpicker



In Österreich haben, derzeit jedenfalls, die Länder das Sagen, respektive die Landesfürsten, die sich das Recht zum Sagen nehmen und mangels Gegenwehr im eigenen Land aber auch im fernen Wien daran kaum gehindert werden. Zuletzt erlebte man das ganz eindrücklich und mitunter enervierend anhand der Bildung der neuen Regierung und der damit verbundenen Ansprüche, die zu allerlei Kalamitäten und zuweilen wenig befriedigenden Überraschungen führten.

Österreich, wie es halt ist. Normalerweise ergehen sich die Beobachter darob in Häme und geißeln den allzuoft als Provinzialismus daherkommenden Föderalismus in dieser Republik. Wortstark lässt man sich über die Doppelgleisigkeiten aus, die nichts als teuer seien, und über die ebenso teuren Eitelkeiten, die das ganze Land in einem Fortkommen hemmten. Man fordert größere Verwaltungseinheiten und hält es für schick "Bundesrat &tschüs" zu verlangen. Da sei viel Geld zu heben, das anderswo wesentlich dringender gebraucht werde.

Das alles kann man fordern, vieles davon ist nachvollziehbar und alles jedenfalls wert diskutiert und einer genauen Prüfung unterzogen zu werden. Stutzig macht freilich, dass von genau den gleichen Leuten, bei denen Obiges als schick gilt und die sich in zuweilen herablassender Häme über die meist kleinteiligen Strukturen in diesem Land äußern, die Forderungen der Landeshauptleute nach Steuerhoheit heftigst beklatscht werden. Deutlich günstigere Verwaltungskosten erwartet man sich da, weil die Länder viel genauer aufs eigene Geld schauen würden, als derzeit, wo sie vom Bund gefüttert werden. Mehr Transparenz erwartet man. Und ein deutscher Wirtschaftsweise weiß mit einem Verweis auf die Schweiz zu verzücken, dass jeder Kanton umso stärker die Steuern senke, je geringer die Steuerbelastung im benachbarten Kanton sei.

Wieso das so ist und warum das auch in Österreich so sein soll, sagt man nicht dazu. Vielleicht ist es der Zeitpunkt, zu dem diese Diskussion kommt, der irritiert. Angesichts der Hypo Alpe Adria und des Desasters, das dort Landespolitiker anrichteten, verwundert denn das dann doch. Und es verwundert auch, weil doch die Ahnungslosigkeit der Salzburger Landespolitik über den Verbleib ihrer Millionen noch in lebhafter Erinnerung sein sollte. Und es verwundert auch, wenn man sich den jüngsten Bericht über die Haftungen der Bundesländer zu Gemüte führt. Knapp 45 Milliarden sind es immer noch, für die die Länder im Fall des Falles gerade stehen müssten. Gemessen an der Finanzkraft des Landes sind die Haftungen, ganz Österreich weiß es, in Kärnten am größten. In Vorarlberg machen die Haftungen fast das Dreifache des Landesbudgets aus und in Tirol das Doppelte. In den anderen Ländern war man zurückhaltender. "In Niederösterreich, Wien und Oberösterreich machen die Banken-Haftungen zwei Drittel des Budgets aus", schreibt die APA, "in der Steiermark die Hälfte und in Salzburg etwa 40 Prozent."

Angesichts dieser Zahlen und dessen, was ihnen an Sprengkraft innewohnen kann, wenn etwas schief geht, kann man nur froh sein, dass die EU verlangt, dass diese Haftungen bis 2017 abzubauen sind.

Auch wenn die Diskussionen geeignet sein mögen, zu verwirren, allein dass sie geführt werden, ist nur gut zu nennen. Sie sind absolut notwendig. Österreich und seine Verwaltungsund auch die Finanzierungsstrukturen sind längt aus dem Gleichgewicht geraten. Viel zu lange schon schieben die Verantwortlichen die Probleme vor sich her. Viel eher pickt man sich Rosinen da und dort heraus, als gemeinsam nach einer tragfähigen und zukunftsweisenden Lösung zu suchen.

Längst beißt sich die Katze in den Schwanz und treibt sich selbst vor sich her. Derzeit sitzt die wahre Macht ganz augenscheinlich in den Ländern. Von dort aus dirigiert man den Bund und die dort verantwortlichen Politikerinnen und Politiker schier nach Belieben. Dass man es selbst war, die sie dorthin entsandt haben, spielt dabei keine Rolle. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt. Das freilich wäre durchaus angebracht, wenn man den Akteuren auf die Finger schaut. So lauter, wie sie scheinen, können in vielen Fällen die Motive, diesen oder jenen nach Wien zu entsenden, nicht gewesen sein.

Dem Land tut es jedenfalls nicht wirklich gut. Dem jeweiligen Bundesland indes vielleicht schon. Und daher steht wohl zu befürchten, dass die wabernden Diskussionen weiter wabern.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 27. Februar 2014

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