Donnerstag, 26. April 2018

Das alte Österreich funktioniert nicht mehr



Die Regierung streitet nicht und lässt sich nicht von jedem Zuruf und von jedem Rempler von außen drausbringen, sondern sie tut, was sich die meisten von ihr wünschen - sie arbeitet. Auch wenn man über das Vorankommen, die Qualität und den Inhalt dieser Arbeit und darüber, ob das denn überhaupt mehr als Schaumschlägerei ist, durchaus geteilter Meinung sein kann, scheint genau das für viele in diesem Land ein Problem zu sein. Auch fast ein halbes Jahr nach der Angelobung wissen Opposition und Kritiker noch immer nicht mit dieser Ruhe, Unaufgeregtheit und Nüchternheit umzugehen.

Wie leicht war es doch, in den alten Regierungskonstellationen Unfrieden zu stiften. Eine gezielte Indiskretion da, eine dort -und schon war der nächste Streit und damit die nächste Krise fertig. All das galt auch für den Zustand der Volkspartei. Wie schnell und wie leicht war doch das Parteigefüge, zumal jenes zwischen Bund und Ländern, aus dem Gleichgewicht zu bringen, wenn nur irgendeinem "Granden" danach war.

All das gibt es derzeit nicht. Die Mechanismen, an denen das Land -und auch die Volkspartei - in den vergangenen Jahren litt und die die Österreicherinnen und Österreich so verärgerten, scheinen außer Kraft gesetzt zu sein. Nun bringen nicht einmal mehr drohende tiefgreifende Veränderungen und Einschnitte im Sozialsystem Unruhe ins Land, schon gar nicht ins Regierungsgefüge. Die Aufregung beschränkt sich auf ein paar Blasen-Welten ohne jede Breitenwirkung.

Da scheint nichts mehr, wie es einmal war. Kein großes Theater mehr nach jeden Ministerrat, keine Seitenhiebe, keine permanenten Sticheleien, kein Hickhack und keine Bosheiten, die man gegenseitig austauscht bis zum Abwinken. Die Mechanismen, die man über all die Jahre gewohnt war und die von vielen in diesem Land mit einer gehörigen Portion Inbrunst, Bosheit und Vergnügen gespielt wurden, funktionieren nicht. Derzeit zumindest.

Die Verzweiflung scheint mancherorts, wo man gewohnt war auf diesem Klavier nach Lust, Laune und Gusto zu spielen, nachgerade groß. Der ehemalige Bundeskanzler etwa arbeitet sich mit immer merkwürdigeren Sagern an der Arbeit seiner Nachfolger ab, und bastelt damit vielmehr an seinem politischen Niedergang, als dass er dadurch zum Oppositionsführer würde, der Interessen und Anliegen unzufriedener Menschen bündelt.

Anderen in diesem Land, die über Jahre fein und gut von der Kritik lebten, geht es kaum anders. Auch wenn sie sich noch so wortreich und aufgeregt alterieren, es vergreift bei den Menschen derweil nicht. Die richtigen Hebel und Werkzeuge haben sie noch nicht gefunden, sich Gehör zu schaffen oder gar viele Menschen hinter sich zu versammeln, die das ähnlich sehen wie sie. Geifernde Anwürfe und spitze Angriffe gegen die Regierung Kurz-Strache, und erscheinen sie noch so gerechtfertigt und gut untermauert, verfangen nicht.

Dabei mag all die Kritik, die da formuliert wird, durchaus ihre Berechtigung haben und auch die Sorgen, die vorgetragen werden. Aber die Österreicherinnen und Österreicher sind, einstweilen zumindest, damit kaum zu mobilisieren. Sie scheinen immer noch vor allem damit zufrieden zu sein, dass nicht mehr der kleinliche Streit zwischen den Regierungsparteien die Tagespolitik beherrscht, sondern die Regierung im Großen und Ganzen das tut, dessentwegen man sie gewählt hat. Sie versucht ihre Versprechen voranzubringen. Und die Wählerinnen und Wähler sind ganz offensichtlich willens, ihnen dafür Zeit zu geben.

Die Aufregung, wie sie etwa Christian Kern und andere zu inszenieren versuchen, wollen sie nicht. Zumindest derzeit nicht. Immer noch haben sie die Nase gestrichen voll von dem ewigen Gezänk und von Untergriffigkeiten, die sie jahrelang ärgerten.

Derzeit erfüllen nur die Regierung ihre Erwartungen, nicht aber die Opposition. Dabei bräuchte gerade diese Regierung eine Opposition, aber auch eine Kritik auf Augenhöhe. Ein Gegengewicht, das inhaltliche Alternativen entwickelt und in die öffentliche Diskussion einbringt und deren Programm mehr ist als das Festhalten an Bestehendem.

Und der mehr einfällt, als Kurz und Strache als "zwei Besoffene" zu bezeichnen "die sich gegenseitig abstützen".

Damit macht man sich selbst bei den Wohlmeinendsten nichts denn lächerlich, wo es doch sehr viel eher hoch an der Zeit wäre, sich in der neuen Rolle zurechtzufinden und in dieser im Sinne des Landes zu wirken.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 26. April 2018

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