Donnerstag, 9. September 2021

Wo Gemeinplatz und "Die Internationale" wohnen

Die Feststellung des ehemaligen Wiener Bürgermeisters Michael Häupl, Wahlkampf sei "Zeit fokussierter Unintelligenz", gehört längst zum innenpolitischen Pointen-Standardrepertoire dieses Landes. Man mag zu Häupl stehen, wie man will, aber wo er recht hat, hat er recht. Er hätte den Satz vielleicht um das Wort "Zumutung" ergänzen sollen, um den ganzen Bogen zu spannen. Wahlkämpfe sind mühsam, nervig, lähmend, selten spannend, oft in der Tat unintelligent, jedenfalls aber meist eine Zumutung. Es gibt kein Entkommen und man muss sie über sich ergehen lassen. Nolens volens.

Derzeit haben die Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher dieses Schicksal zu tragen. Landtagswahlen stehen an am letzten September-Wochenende. Der Wahlkampf plätschert dahin. "Gedimmt" wie es dieser Tage der Chefredakteur der größten Tageszeitung im Land nannte. Ohne Höhepunkte. Mit einem längst feststehenden Sieger.

Überall im Land die unvermeidlichen Plakate in allen Größen und Formaten, Strohballen, Infostände und Feste. Überall werden einem Kugelschreiber und Feuerzeuge in die Hände gedrückt. Ob man will oder nicht. Ein Kochbuch vom Landeshauptmann steckt im Briefkasten und Flugblätter, die zu Veranstaltungen laden. Wie überall. Und wie überall seit Jahrzehnten fragt sich niemand, warum ausgerechnet solche Gegenstände irgendetwas beim Stimmverhalten bewirken sollen. Ideen würde man eher vermuten, Forderungen, Konzepte vielleicht. Aber warum bloß Kugelschreiber, Feuerzeuge und Kochbücher? Da will man sich nicht mehr wundern, dass Politik von so vielen längst als nichts denn als Zumutung empfunden wird und von nicht wenigen gar als Beleidigung.

Nun, es mag zugegebenermaßen schwierig sein, etwas Neues zu entwickeln, aber seit 40, 50 Jahren kaum etwas anders?

Das ist das eine. Aber es gibt noch eine verschärfte Variante - es stehen auch Gemeinderats-und Bürgermeister-respektive Bürgermeisterinnenwahlen und der damit verbundene Wahlkampf an, den die Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher in diesen Wochen über sich ergehen lassen müssen. Und das ist eine eigene Kategorie. Eine ganz eigene. Eine eigene Welt in der Welt, mitunter aus der Zeit gefallen. Eine Welt, in der Bürgermeister zuweilen noch von Gemeindearbeitern ungeniert ihr Konterfei auf Verkehrszeichen affichieren lassen, wie gemunkelt wird, und wo Gemeinde-Parteiorganisationen allen Ernstes glauben, mit dem Abspielen der "Internationalen", dem Kampflied der sozialistischen Arbeiterbewegung, unterlegt mit Bildern aus der örtlichen Parteiarbeit, über Facebook Stimmen gewinnen zu können. Gleichsam Gallier eines längst untergegangenen Sozialismus.

In den Wahlkämpfen auf Gemeindeebene, wenn es um die politische Vertretung draußen in den Dörfern, um die Chefinnen oder die Chefs in den Gemeindestuben geht, sind die Zumutungen oft noch größer und die Phrasen klingen oft noch hohler und noch leerer. Als ob dort ganz andere Menschen respektive Wählerinnen und Wähler wohnen würden. Menschen, die von der Welt keine Ahnung haben, die weder bei Wahlen auf Bundesebene noch auf Landesebene jemals zu den Urnen gebeten worden sind. Die man offenbar für ein bisserl dumb hält, für einfach gestrickt und immer fernab der Welt und den Diskussionen, die dort geführt werden.

Mit Gratis-Bier und Gratis-Würsteln wird das Wahlvolk mobilisiert. Die Werbematerialien strotzen vor Allgemeinplätzen wie "Unsere Gemeinde ist unser Auftrag","Für eine lebenswerte Gemeinde","Ein neuer Stil für die Gemeinde", "Spaß und Sport für Groß und Klein in der Freizeit" oder schlicht "Mehr Bürgerbeteiligung". Unverkrampft stellt man sich, ohne den Grundbesitzer zu fragen, auf fremde Grundstücke und will dorthin einen Spielplatz verlegt sehen. Da werden reich bebildert Bilanzen über das Tun in den vergangenen Jahren gelegt, bei denen man es mitunter auch mit der Wirklichkeit nicht ganz so ernst nimmt und sogar den Neubau von Banken, die man nur von der Eröffnung kennt, für sich als Leistung reklamiert, die vom Volk gewürdigt werden soll.

Alles sehr bemüht könnte man sagen, wenn auch alles oft sehr unprofessionell. Soll sein. Aber wieso, diese Frage bleibt, gelten auf Ortsebene ganz andere Maßstäbe als auf den höheren Ebenen? Da nimmt nicht wunder, dass sich bei Wählerinnen und Wählern nicht selten der Verdacht aufdrängt, man werde nicht ganz ernst, wenn nicht gar für nicht ganz voll genommen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. September 2021

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