Donnerstag, 6. Oktober 2022

Großmäuler als Bettvorleger

In Gang gekommen ist der Wahlkampf um das Amt des Bundespräsidenten in den vergangenen Wochen nie wirklich. Keine Wunder, dass neuerdings immer öfter von einem müden Wahlkampf geschrieben wird, der da nun in die Zielgerade biegt. Vorübergehend sah es zwar so aus, als könnte es dem regierenden Bundespräsidenten passieren, dass er doch in eine Stichwahl muss, zwischenzeitlich scheint aber selbst diese Gefahr und damit das einzige Spannungsmoment, das es geben hätte können, gebannt und höchst unwahrscheinlich. Alle Umfragen haben Alexander Van der Bellen klar vorne. Freilich kann man darüber diskutieren, ob die knapp 60 Prozent, die ihm prognostiziert werden, befriedigend sein können, und es besteht wohl kein Zweifel, dass sich einige finden werden, die das Schlappe nennen werden.

Das Land ist in den vergangenen Wochen erstaunlich gelassen geblieben. Der Wahlkampf wurde in all den Wochen nie ein Kampf. Vielmehr kommt einem in den Sinn, dass da viele großmäulig als Löwen weggesprungen sind und nun dabei sind, als Bettvorleger zu landen. Selbst der blaue Kandidat, der davon redete, dass er "unser Österreich" zurückhole und immer und überall wissen ließ, dass er die Regierung entlassen wolle, wenn er ins Amt käme, schafft nun, wie es aussieht, nicht einmal die Umfragewerte, die seine Partei, die FPÖ, derzeit zusammenbringt.

Da ist der Wiener Rechtsanwalt, der als Kolumnist der "Krone" noch mit seitenweiser Unterstützung seines Blattes starten konnte, dann aber, alleine gelassen, sang-und glanzlos unterging. Nicht viel anders erging des Impfgegner-Kandidaten und dem ehemaligen BZÖ-Generalsekretär und Medien- und Social-Media-Rabauken - das Grosz-Maul brachte es auf ein paar Zeitungszitate, aber das war es auch schon. In dieser Rubrik ist wohl auch der Wahlkampf des Chefs der Bierpartei zu verbuchen. Der konnte immerhin Sympathiepunkte sammeln, rutschte aber aus, sobald die Fragen nach Ideen und Lösungen ernster und insistierender wurden. Nachgerade persönlich tragisch hingegen entwickelte sich die Wahlbewerbung des Waldviertler Schuhfabrikanten. "Wie kann es sein, dass jemand wie er kein soziales Umfeld hat, das ihn vor all diesem Irrsinn bewahrt? Der Typ zerstört gerade sein Lebenswerk -für nichts. Gut gemeint, aber völlig gaga", war auf Twitter zu lesen. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Es war wohl ein Wahlkampf zur falschen Zeit und mit falschen Themen für eine Wahl, die zwar auf dem Kalender steht, sonst aber weithin angesichts der klaren Verhältnisse und der Zufriedenheit mit dem Amtsträger nicht für wirklich nötig gehalten wird. Österreich und die Österreicherinnen und Österreicher beschäftigt derzeit anderes als die Wahl eines Staatsoberhauptes. Noch dazu, wo man den aktuellen Bundespräsidenten als einen kennengelernt hat, auf den man sich auch in schwierigen Zeiten verlassen kann. Van der Bellen musste das angesichts der politischen Wirrnisse in den vergangenen Jahren beweisen wie kein anderer Präsident vor ihm. Man schätzt, dass zumindest er ein stabiler Faktor im heimischen Politgefüge ist, das jede Woche aus den Fugen zu geraten droht.

Dennoch sollte man den Wahlkampf um das Amt des Bundespräsidenten nicht gleich abhaken und vergessen als einen der skurrilsten Wahlgänge, den dieses Land je gesehen hat. Vor allem die hohe Zahl der Wahlwerber ist durchaus als Ausdruck des populistischen, krawalligen, lautstarken und respektlosen populistischen Verständnisses von Politik zu sehen, das sich in den vergangenen Jahrzehnten in diesem Land breitmacht.

Noch nie bewarben sich, ganz dem Geist der Zeit entsprechend, so viele Kandidaten, ohne überhaupt den Anspruch zu haben, Politiker zu sein, um das höchste Amt im Staat. Ohne Konzepte und Idee, ohne Grundwissen um das Amt, ohne Wissen um Politik und Zusammenhänge und ohne jedes politische Verhältnis und Gespür. Getragen meist von maßloser Selbstüberschätzung oder vom Kalkül, den Wahlkampf als PR-Plattform für das eigene Unternehmen, für Bücher, Schuhe oder Musik zu nutzen.

Da fehlte es zumeist an Respekt. An Respekt dem Amt gegenüber, aber auch an Respekt dem Land und den Menschen gegenüber.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Umfragen richtig liegen. Wenn sie das tun, zeigt die Wahl am Sonntag, dass das Gspür der Wählerinnen und Wähler doch noch funktioniert. Und ihnen nicht alles zugemutet werden kann.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 6. Oktober 2022

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