Donnerstag, 7. Februar 2019

Das Notwendige und sein Wert



Vor dem Linzer Landhaus demonstrierten in der vergangenen Woche Gewerkschafter, Betriebsräte und Spitalsbeschäftigte und verlangten bei den Gehaltsverhandlungen "nicht billig abgespeist" zu werden. In dieser Woche steht die nächste Lohn-Runde bei den Sozialberufen an. Streiks sind möglich. Damit rücken Berufszweige in den Mittelpunkt, um die sonst nicht viel geredet wird, die einfach da sind und -das vor allem -von denen man voraussetzt, dass sie klaglos funktionieren. Man verlässt sich drauf, dass in der Kranken- und Altenpflege und in der Betreuung von beeinträchtigten Menschen gemacht wird, was erwartet wird. Körperhygiene, Hautpflege auch, Medikamente verabreichen, Verbände wechseln, begleiten, versorgen, unterhalten. Solche Dinge und noch viele andere auch. Dinge, die viele selten selbst machen wollen, die man gerne delegiert, auf die man meist nicht näher hinschauen mag und die man gerne verdrängt.

Man macht es sich dabei oft nichts denn einfach. Und man schiebt beiseite, dass es meist alles andere als ein Honiglecken ist, in einem Sozialberuf zu arbeiten. Genauso wie man beiseite schiebt, was dort geleistet wird, dass die Arbeitsbelastung groß ist und vor allem auch die Verantwortung und dass der Beruf oft nicht nur körperlich, sondern auch emotional sehr

belastend ist und anspruchsvoll. Und gar nicht denkt man meist dran, dass dort die Bezahlung selten gut ist, dass man mit zu wenig Geld zu kämpfen hat und mit Nachwuchssorgen. Gedankenlos verlässt man sich meist drauf, dass alles funktioniert, wenn man Hilfe braucht. Die Anerkennung und Wertschätzung durch die Bevölkerung und auch der Respekt sind dennoch sehr überschaubar. Da nimmt nicht wunder, dass so ein Beruf als nicht sonderlich attraktiv gilt. Dabei ist in kaum einer Branche der Bedarf größer. Allein im Pflegebereich, so die einhellige Einschätzung, wächst die Zahl der Pflegebedürftigen in den nächsten dreißig Jahren von derzeit rund 450.000 auf mindestens 750.000 Menschen.

Freilich kann man als Getöse rund um die beginnenden Arbeiterkammerwahlen abtun, was man in diesen Tagen hört und liest von den Sozialberufen. Man sollte dabei vielleicht aber zurückhaltend sein. Denn es ist schon zu fragen, warum in unserer Gesellschaft oft just, was am dringendsten gebraucht wird, nur wenig Wert und Ansehen hat. Der Pflegebereich ist ja durchaus nicht der einzige, wo es sich die Gesellschaft leicht macht. Der Bogen spannt sich von der Erziehung und Bildung bis hin zum Thema der Entlohnung von Frauenarbeit, die immer noch oft hinter der von Männern herhinkt. Beim Umweltschutz ist es nicht anders und beim Essen, dem viel zu selten der entsprechende Wert zugemessen wird, auch.

Freilich kostete all das, das haben alle diese Bereiche gemein, mehr Geld, würde man es verbessern. Will man aber wirklich etwas erreichen an Verbesserungen, wird man sich wohl dennoch verabschieden müssen davon, auch in Zukunft so billig davonzukommen. Es braucht dann wohl mehr als Kosmetik. Es braucht mehr an Geld, aber auch mehr an Herz dahinter und mehr an Ideen.

Nicht zu übersehen freilich ist, dass nicht nur letztere sehr überschaubar sind, sondern oft auch der Wille, wirklich etwas zu tun. Zudem legt man dabei oft -man mag es nicht anders nennen -durchaus auch ein hohes Maß an Tollpatschigkeit und gar Bösartigkeit an den Tag. Dazu zählt etwa, dass just den zahllosen Pflegerinnen aus der Slowakei, aus Ungarn und aus anderen Ländern, ohne die vor allem die Altenpflege in Österreich schon jetzt nicht zu bewältigen wäre, die Arbeit mit Kürzungen der Kindergelder vergällt wird.

Es wirkt zuweilen, als wolle man nicht erkennen, dass man dabei ist, den Ast, auf dem man sitzt, abzusägen. Hauptsache, man hat seinen politischen Sturschädel durchgesetzt.

Diese Muster gibt es in Österreich freilich immer öfter. Ganz exemplarisch etwa ist das auch beim Umgang mit asylsuchenden Geflüchteten, die als Lehrlinge oder kompetente und wertvolle Mitarbeiter einen Platz bei uns gefunden haben. Obwohl die Klagen über offene Arbeitsstellen und fehlende Lehrlinge immer lauter geworden sind, gefällt man sich trotz heftigster Proteste weiter in einer sturen Abschiebepraxis.

In vielen anderen Bereichen ist das nicht anders. Man streicht, man kürzt, man verbietet. Und wundert sich dann, dass etwas nicht funktioniert, dass man etwas nicht mehr hat oder nicht mehr schafft -ohne darüber lange nachzudenken.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. Februar 2019

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