Donnerstag, 27. Juni 2019

Freiwild auf dem Land



So wie die Dinge liegen, wird die Mehrheit der im österreichischen Parlament vertretenen Parteien in der kommenden Woche die Verwendung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat verbieten. Das Triumphgeheul wird wohl ohrenbetäubend, wie die Bauern mit diesem Verbot zurechtkommen aber kein Thema sein.

Das Verbot, mit dem man nun über die Bauern drüberfährt, ohne sie lange zu hören, hat viel damit zu tun, dass die Gräben zwischen Stadt und Land immer tiefer werden. In der Landwirtschaft hat man besonders oft zu leiden darunter. Die Diskussion um den Wolf läuft nach ähnlichen Mustern, die über Tierhaltung auch und vieles andere mehr auch. Aber es geht nicht nur den Bauern so, sondern auch vielen anderen, die am Land wohnen. Gewerbetreibenden, Unternehmern, Hausbesitzern etwa, die sich von Vorschriften gequält fühlen, die für sie nicht nachvollziehbar sind. Das hinterlässt immer öfter das schale Gefühl, dass die in der Stadt -zumal, wenn diese Stadt Wien heißt - glauben, alles besser zu wissen, ohne freilich viel Ahnung zu haben und schon gar ohne von dem betroffen zu sein, was sie verlangen.

Die negativen Begleiterscheinungen politischer Maßnahmen in solchen Bereichen betreffen "fast nie die Stadtbewohner selbst", hieß es kürzlich auch in einer scharfzüngigen Analyse der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit","sondern fast immer nur die Leute auf dem Land". Von der "moralischen Verächtlichmachung der Dorfbewohner durch Stadtmenschen" ist da die Rede und von einer unerträglichen Bevormundung. Die Stadtmenschen wollten "neue Regeln aufstellen, die unser Leben ökologischer, reiner, gesünder und besser machen sollen" heißt es da. "Die negativen Begleiterscheinungen dieser Vorhaben betreffen dann allerdings fast nie die Stadtbewohner selbst, sondern fast immer die Leute auf dem Land." Von "Doppelmoral" ist die Rede. "Die Großstädter fordern ein Verbot von Kurzstreckenflügen und Dieselautos, sie wollen eine CO2-Abgabe und richten Umweltzonen ein", heißt es spitz, aber es sei schick, "wenn man einmal im Jahr zu seinem Kumpel nach Tokio fliegt".

Aber es geht nicht nur um das Verhältnis von Stadt und Land und um die Gräben, die sich dazwischen aufgetan haben. Es geht auch um das Verhältnis von gesellschaftlichen Gruppen untereinander. Auch in Österreich. Es ist üblich geworden, sehr leichtfertig übereinander zu reden, oft ohne viel Wertschätzung und ohne Respekt, sehr anmaßend meist und überheblich. Und vor allem sehr oft ohne das unnötige Wissen und ohne Kenntnisse von Zusammenhängen. Ob man in irgendeiner Art und Weise betroffen ist oder etwas damit zu tun hat, spielt meist keine Rolle. Wenn es um soziale Maßnahmen geht, ist es oft um bildungspolitische Vorhaben, um Umweltvorschriften auch und um anderes gegangen. Ihnen ist immer öfter gemeinsam, dass sie von Menschen gefordert werden, die meist überhaupt nichts damit zu tun haben. Denen es oft egal ist, wie die Menschen, die es betrifft, damit zurechtkommen können.

Die Bauern kennen das, Lehrer auch und viele andere Gruppen, die in den vergangenen Jahren in gesellschaftlich exponierte Positionen geraten sind. Jeder nimmt für sich in Anspruch mitreden zu können, ganz gleich, ob er oder sie über ein entsprechendes Fachwissen verfügen, ob sie in irgendeiner Weise persönlich betroffen sind oder sonst wie irgendetwas Fundiertes beizutragen haben.

Am augenscheinlichsten ist es, wenn mit Umfragen gearbeitet wird, um bei umstrittenen Themen Stimmung zu machen. Da findet niemand befremdlich, dass Leute etwa zu schulischen Themen ihre Meinung abgeben, obwohl ihre Kinder längst aus der Schule sind, oder zu agrarischen Fachthemen, obwohl sie Landwirtschaft allenfalls aus Schulbüchern oder vom Vorbeifahren kennen und auch zu sozialen Themen, die fernab ihrer Villen und Penthäuser wichtig sind.

Freilich -es kann und soll nicht so sein, dass es sich alle Gruppen selbst so richten können, wie es ihnen jeweils passend erscheint. Aber es sollte doch mehr Rücksicht aufeinander genommen werden. Nicht nur wegen des respektvollen Umgangs, sondern auch wegen der Demokratie. Denn die Schieflage, die in den vergangenen Jahren bei vielen Themen und in vielen Bereichen entstanden ist, ist nichts als Gift für die Gesellschaft. Das feindselige politische Klima, das sich in den vergangenen Jahren in Österreich entwickelt hat, darf man durchaus als Folge davon sehen.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 27. Juni 2019

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