Donnerstag, 17. Dezember 2020

Ein Jahr, das uns vieles lehrte

 

2020 war ein Annus horribilis. Ein schreckliches Jahr, ein fürchterliches auch. Aber es war ganz sicher nicht, wie in unserer maßlosen und zuweilen selbstmitleidstrunkenen Gesellschaft mitunter behauptet wird, das schrecklichste Jahr in der Geschichte. Das nimmt sich nur wehleidig aus angesichts der Kriegszeiten und Wirtschaftskrisen, die die Menschheit allein im vorigen Jahrhundert durchmachen musste und die viele Menschen in manchen Erdteilen auch heute aushalten müssen. Und es ist nichts als lächerlich, wenn nicht mehr verlangt wird, als daheim zu bleiben und Weihnachten einmal nicht wie gewohnt zu feiern und schon gar nicht Silvester.

Freilich ist 2020 ist ein schlimmes Jahr und ein außergewöhnliches. Aber Jahre wie diese gab es immer in der Geschichte. Nun erleben Generationen, die über siebzig Jahre ohne große Nöte leben konnte, erstmals was sie sonst nur aus der Geschichte kennen am eigenen Leib. Eine Zeit, in der es auf einmal um Verzicht geht und nicht um die Sorge um die eigenen Ansprüche und darum zu kurz zu kommen.

Dieses Jahr hinterlässt nicht nur in der Wirtschaft Folgen. In diesem Jahr ist wohl auch viel verloren gegangen was unsere Gesellschaft zusammenhielt. Zuvorderst wohl das Vertrauen, dass uns nichts passieren kann. Man muss erkennen, dass es größere Probleme gibt, als die Auswahl des Urlaubsortes, den Kauf des neuen Autos oder dass man das billigste Angebot im Supermarkt erwischt.

Vor Augen geführt hat uns das Jahr auch, wie schnell die gesellschaftliche Solidarität und der Zusammenhalt zerbröseln kann. Man muss zuschauen, wie sich die Leute von der Politik abwenden und man versteht sie sogar. Da ist oft nur mehr Verachtung, Selbstmitleid und Rechthaberei und eine große Sehnsucht nach der Normalität von früher, die man, koste es was es wolle, durchsetzen möchte. Aber viel zu oft ist da kein Verständnis für das große Ganze. Da ist nichts mehr von diesem Zusammenrücken und der Solidarisierung über alle Partei- und Gesellschaftsgrenzen hinweg, von der gegenseitigen Rücksichtnahme und Unterstützung, die im Frühjahr überall zu spüren war.

Zu dem, was verloren gegangen ist in diesem Jahr, gehört auch die Bereitschaft zu helfen, gar jemand aufzunehmen und Schutz zu geben. Moria? Flüchtende? „Ach Gott, lasst uns in Ruhe damit“. Das Jahr hat uns auch gezeigt, wie wichtig Themen sind, die in Normalzeiten nur geringgeschätzt sind. Wie etwa Krisenvorsorge und Katstrophenschutz. Und es hat uns auch gezeigt, dass man auch in Österreich auf die Demokratie aufpassen muss und auf die Bürgerrechte. Die Geschichte vieler Verordnungen rund um Corona sind beredete Beispiele dafür und auch das zur Mode gewordene Durchpeitschen von Gesetzen durch das Parlament - ohne lange Begutachtungen und Diskussionen.

Wie sich all das noch entwickeln und wie es letztendlich ausgehen wird, ist noch offen. Sorgen sind angebracht. Zumal die Politik all diese Themen nicht wirklich ernst zu nehmen scheint und sie längst zu ihren Spielbällen erkoren hat. Das kann sich bitter rächen. Denn was auf uns zukommt wird alles andere sein als ein Honiglecken. Die harten Zeiten werden wohl erst noch kommen. Wenn die Folgen in der Wirtschaft nicht mehr mit Milliarden zu übertünchen sind, wenn sich zeigen wird, dass die Normalität, auf die alle so hoffen, eine andere sein wird als früher. Wenn die Arbeitsplätze nicht mehr da sein werden, wenn Unternehmen verschwinden und wenn Gewohnheiten nicht mehr gelebt werden können wie man sie kannte.

Mit der allerorten so lieb gewordenen Einstellung zwar alles besser zu wissen, aber für das Leben die Verantwortung am liebsten bei der Politik, in der Firma, bei den Ärzten oder sonst wo abzugeben, wird kein Staat zu machen sein, wenn es gilt die Folgen von Corona zu überwinden.

Aber 2020 hinterlässt bei aller Trübsal auch manch Gutes und Nachhaltiges. Trump ist weg sei da angeführt. Oder Brüssel hat rechtzeitig vor dem Jahresende „sein Haus noch in Ordnung gebracht“ wie eine Zeitung schrieb. Und die wohl beste Nachricht des Jahres – es gibt Impfstoffe.

Darüber darf man sich freuen.

Und natürlich auch über die ruhigen Weihnachten und Silvester, die vor uns liegen. Wie oft hat man sich doch in den vergangenen Jahren mit all ihrer Hektik genau das gewünscht.

Freilich – es hätte nicht Corona sein müssen, das uns das beschert.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 17. Dezember 2020

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