Donnerstag, 12. August 2021

Wetterextreme setzten den Bauern heftig zu

Preiserhöhungen trösten die Bauern über ein schwieriges Erntejahr hinweg. Für teure Lebensmittel sehen sie sich nicht in der Verantwortung.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Österreichs Bauern stecken in einem mühsamen Erntejahr. Derzeit ist es die Getreideernte, die sich seit Wochen dahinzieht. Immer wieder bremsen Regen, Sturm und Hagel die Erntemaschinen. „Wetterextreme bereiten zunehmend Probleme“, sagte am Mittwoch AMA-Chef Günter Griesmayr bei der Präsentation der vorläufigen Erntebilanz.

Vor allem im Waldviertel, aber auch in manchen Regionen Oberösterreichs steht der Weizen noch auf den Feldern. Die Sachverständigen der Österreichischen Hagelversicherung haben seit Monaten Hochbetrieb, um die Schäden zu erheben, die zuerst Frost und Dürre und in den vergangenen Wochen Hagel und Sturm anrichteten. Auf gut 220 Mill. Euro belaufen sie sich bislang. Allein in Oberösterreich ist es auf einer Fläche von 40.000 Hektar zu Totalschäden an landwirtschaftlichen Kulturen gekommen.

Einziger Lichtblick im Wetterchaos, mit dem die Bauern zu kämpfen haben, sind die Preise für ihre Produkte. Die sind gut wie schon lang nicht mehr. „In den vergangenen Monaten gab es im Sog der allgemeinen Rohstoff-Hausse eine regelrechte Preisrallye“, sagte Ernst Karpfinger, Vorsitzender des Fachbeirats Getreide in der AMA. Die Notierungen bei den wichtigsten Kulturen seien um 20 bis 25 Prozent gestiegen, bei Soja- und Rapsschrot sogar zwischen 30 und 50 Prozent. Zurückzuführen sei das vor allem auf die steigenden Aufkäufe Chinas und das Einbremsen der Exporte Russlands.

Diese Entwicklung bereitet außerhalb der Landwirtschaft immer größere Sorgen. Vor einem Monat warnte das Welternährungsprogramm der UNO wegen gestiegener Nahrungsmittelpreise vor einem Mangel an Essen für Millionen Menschen. Und erst vor wenigen Tagen schlug die heimische Lebensmittelindustrie Alarm und bezeichnete die Situation auf den Märkten wegen der Preisanstiege bei Agrarwaren, aber auch bei Verpackungen und Logistik als „dramatisch“.

In der Landwirtschaft mag man die Sorgen freilich nicht ganz nachvollziehen. „Es gibt keinen Grund zur Panik“, sagten Karpfinger und Griesmayr. „Der Getreidepreis spielt bei Brot und Gebäck de facto keine Rolle, weil der Anteil der Rohstoffkosten an den Gesamtkosten bei nicht mehr als drei Prozent liegt“, sagten die Experten. „Da gibt es sehr viele andere Faktoren wie Personal-, Energie-, Logistik- oder Verpackungskosten, die sich wesentlich stärker niederschlagen.“

Die Genugtuung über die höheren Preise will man sich jedenfalls nicht nehmen lassen. „Als Landwirt muss man immer aufpassen, bei solchen Diskussionen nicht in die Defensive zu kommen“, sagte Karpfinger. Ganz abgesehen davon, dass die höheren Preise für die Produkte dringend notwendig seien. „Man darf ja nicht vergessen, dass auch wir Landwirte mit Preissteigerungen etwa beim Dünger oder bei den Maschinen und vielem anderen konfrontiert sind.“

Auch wenn die Folgen der Preisrallye auf den Märkten umstritten sind, um die Versorgung braucht man sich keine Sorgen zu machen. „Die ist in Österreich gesichert“, sagte Griesmayr. Weil man eine gute Maisernte erwarte, die ab September ansteht, geht er davon aus, dass die Gesamternte mit insgesamt 5,1 Mill. Tonnen allen Wetterkapriolen zum Trotz ein durchschnittliches Niveau erreichen wird.

Die Getreideernte allein freilich wird mit 2,9 Mill. Tonnen deutlich niedriger geschätzt als in den vergangenen Jahren. Weil schon im Herbst das nasse Wetter vielerorts den Anbau der Wintersaat verhinderte, gingen vor allem bei Weichweizen, Wintergerste und Roggen die Anbauflächen zurück. Neuerlich um mehr als 3500 Hektar zurückgegangen ist auch die Rapsfläche. Ersetzt wurden diese Feldfrüchte vor allem durch Mais und Soja, die im Frühjahr gesät werden.

Für die geringere Getreideernte verantwortlich ist auch die Hitze im Juni. Sie bremste das Wachstum der Getreidekörner. Das hatte schlechtere Erträge bei gleichzeitig aber sehr guten Qualitäten zur Folge.

Entspannt hat sich heuer die Lage bei der Vermarktung von Biogetreide, das von der steigenden Nachfrage profitierte. Bei einem Anteil an der Getreidefläche von 20 Prozent liefern die Biobauern zehn Prozent der gesamten Erntemenge und halten einen Anteil von sieben Prozent in der Verarbeitung. Auf 14 Prozent gesunken sind auch die Lagerbestände, die in den vergangenen Jahren oft große Probleme machten.

Anders als in Österreich werden auf dem Weltmarkt Rekorde erwartet, obwohl in den großen Produktionsregionen wie Nord- und Südamerika oder in den wichtigen Anbauregionen Europas wie in Deutschland und Frankreich die Landwirtschaft ebenfalls mit Wetterkapriolen zu kämpfen hat. „Dennoch wird es heuer weltweit eine Getreideernte auf Rekordniveau geben“, sagte der AMA-Marktexperte Christian Gessl. Die ist auch notwendig – denn auch der weltweite Verbrauch wird ein neues Rekordniveau erreichen.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 12. August 2021

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