Donnerstag, 19. Januar 2023

Verflixt und festgeklebt

In Deutschland sorgen die Proteste für die Rettung des Örtchens Lützerath für Aufregung, in Wien klebten die Leute der "letzten Generation" auf den Straßen und blockierten den Verkehr, um die Welt vor der "Klimahölle" zu retten. Da wie dort gingen die Wogen hoch und die Empörung ist groß. Da wurde gespuckt, getreten und geschlagen. "Schleicht´s eich", hieß es von erbosten Autofahrern, und im Internet wurde "einfach drüberfahren" empfohlen. Devise: "Wer nichts kann und wer nichts ist, der wird Klimaaktivist."

Die Gesellschaft und die Politik können nicht umgehen mit dieser Art von Protesten. Immer noch nicht. Dass viele von denen, die sich besonders alteriert haben, vor Jahresfrist selbst bei den Corona-Demos in Wien, in Linz und anderswo Straßen blockierten, passt in das Bild von den Österreichern, für die das Leben oft einen doppelten Boden hat.

Was wir in der Vorwoche erleben mussten, ist bei Licht betrachtet nichts denn peinlich. Nicht für die Jugend, sondern für die Politik und für viele Bürger. Was hat man nicht jahrelang über die unpolitische, ja apathische Jugend gelästert, was hat man sich nicht darüber gewundert. Und dann zeigte man sich im Nu von nicht viel mehr als zwei Dutzend Aktivisten überfordert und würde sie am liebsten gleich hinter Gittern verschwinden lassen. Das kann man auch als Bankrotterklärung sehen.

Aber zu verlockend ist für viele und für die Politik, die Klimakleber und die Wut gegen sie für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Sie machten, wie schon so oft zuvor und wie Zeitungen und Rundfunk-und Fernsehanstalten auch, die Klimaproteste auf den Straßen im Handumdrehen zu einem einträglichen Geschäftsmodell. Da führte die junge Staatssekretärin eine emotional überforderte und mit den Tränen kämpfende Klimaaktivistin im Fernsehstudio gnadenlos vor. Da war der FPÖ-Obmann schnell da mit dem Begriff "Klimaterroristen" und VP-Landeshauptleute mit der Forderung nach harter Bestrafung -obwohl sich bisher außerhalb von Wien kaum wer auf die Straßen klebte.

Vor allem die niederösterreichische Landeshauptfrau fühlte sich besonders bemüßigt, Härte zu zeigen, stehen doch in ihrem Bundesland zum Ende dieses Monats Landtagswahlen an. Und da will man sich keine Chance vertun. "Wer seine Freiheit dazu missbraucht, das Leben seiner Mitmenschen zu gefährden, dem muss Entzug seiner Freiheit drohen", sagte sie.

Sie alle tun sich leicht damit, die Scharfmacher zu spielen, kann doch mit hundertprozentiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass nie einer von denen, die sich da in den Vorwochen an die Straße klebten, ihnen seine Stimme gegeben hat.

Werner Kogler tut sich damit schon schwerer. Auch wenn die Klimakleber Österreichs Grüne nicht derart ins Dilemma stürzten wie die Demonstranten in Lützerath die Grünen in Deutschland, verlangten sie dem Vizekanzler schon einen Spagat ab. Aber diese Haltung ist zum Glück längst keine große Herausforderung mehr für ihn. "Ich teile die Anliegen der jungen Menschen", sagt er und hält die geltenden rechtlichen Bestimmungen für ausreichend.

Damit findet er sich jedenfalls auf der Seite der Juristen im Land, aber auch auf Seiten eines wesentlich größeren Teils der Bevölkerung, als die öffentliche Aufregung vermuten lassen würde. Auch wenn die gängige Meinung sein mag, dass die Aktionen der Bereitschaft für Klimaschutzmaßnahmen eher schaden, ist nicht zu übersehen, dass die Sympathie für all die jungen Frauen und Männer, die sich da an die Straßen kleben, wächst -sofern man nicht gerade in einem von ihnen verursachten Stau steht und deswegen nicht zur Arbeit, zur Schule oder zum Arzt kommt. Inzwischen gab es gar Solidaritätsaktionen von Wissenschaftlern und es findet sich in Zeitungskommentaren immer mehr Verständnis. "Die Argumente der letzten Generation überzeugen", ist da mittlerweile zu lesen.

Auch wenn man dem nicht zustimmen sollte, sei dennoch eindringlich zu mehr Gelassenheit geraten. Die Satire-Zeitung "Tagespresse" zu lesen, könnte helfen. Das Schmunzeln dabei ist geeignet, die Nerven zu beruhigen. "Tag für Tag blockieren sie völlig sinnlos den Verkehr -jetzt soll es den Pendlern an den Kragen gehen", stand da vorige Woche zu lesen. "Immer mehr Menschen fordern scharfe Sanktionen für Verkehrsblockaden, bis hin zu langen Haftstrafen."

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. Jänner 2023

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