Samstag, 14. Januar 2023

Zwischen Umwelt- und Pflanzenschutz

Die Landwirtschaft hadert mit der Umweltpolitik. Das ändert nichts an der Verpflichtung, die Emissionsziele zu erreichen.

Hans Gmeiner  

Wien. Die Landwirtschaft wettert gegen neue EU-Emissionsrichtlinien, geplante Beschränkungen beim Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, die Stilllegung von Flächen, Nutzungsbeschränkungen in den Wäldern und wird nicht müde, vor Versorgungsengpässen und hohen Preisen zu warnen. In der Umweltpolitik wird indessen verbissen um die Einhaltung der Emissionsziele gekämpft, bei Klima- und Biodiversitätsschutz nachzulassen ist keine Option.

Der Überfall Russlands auf die Ukraine machte die Diskussion nicht einfacher. „Wir sind plötzlich in einer anderen Welt als damals, als die EU die neue Gemeinsame Agrarpolitik mit allen Stilllegungs- und Umweltmaßnahmen und andere Beschränkungen konzipierte“, sagt Franz Sinabell vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo). Ohne werten zu wollen, sagt er: „Klar ist: Wo wegen des strengeren Schutzes weniger oder gar keine Agrargüter oder Holz erzeugt werden können, kann man auch nicht ernten.“ Auch wenn der Rückgang der Produktion von Getreide oder Holz bei einer Flächenreduzierung um zehn Prozent nur acht Prozent betragen sollte, sei das „extrem viel“. Schon der Wegfall der Exporte aus der Ukraine habe den Weltmarktpreis für Getreide verdoppelt. Und der werde auch hoch bleiben. „Wenn dann der größte Exporteur, und das ist nun einmal die EU, die Exporte verringert, treibt das die Preise global nach oben“, sagt Sinabell. Die Folgen können nicht nur hohe Lebensmittelpreise, sondern auch Versorgungsengpässe bis hin zu wachsendem Migrationsdruck sein.

Trotz dieses Umfelds sieht der Wirtschaftsforscher die Landwirtschaft in der Pflicht, zur Senkung der CO2-Emissionen beizutragen. Für ihn ist klar: „Die Emissionen im Agrarsektor sind in den vergangenen Jahren zurückgegangen, aber vom Ziel, den Ausstoß bis zum Jahr 2030 um 48 Prozent gegenüber 2005 zu reduzieren, ist man dennoch weit entfernt.“ Dieses Ziel tatsächlich in den wenigen noch verbleibenden Jahren zu erreichen würde einschneidende Maßnahmen erfordern. Es gebe Spielräume in einzelnen Sparten der landwirtschaftlichen Produktion, „aber nicht in dem Ausmaß, dass man die Emissionen um 48 Prozent verringert und dennoch gleich viel Agrargüter produziert“, sagt Sinabell.

Besonders betroffen wäre nach Einschätzung Sinabells die Rinderhaltung. Dort seien die Emissionen und damit das Einsparungspotenzial am größten. „Wenn man in der Rindfleisch- und Milchproduktion die Emissionen senken will, müsste man die Tierzahl senken“, dazu gebe es keine Alternative. Das wäre aber sehr teuer, weil es sehr wertvoll sei, dass die Tiere Fleisch, Milch und Eiweiß liefern, ganz abgesehen davon, dass in der Folge die Preise weiter steigen würden.

Käme es tatsächlich zu derart massiven Eingriffen, hätte das nach Einschätzung Sinabells enorme Auswirkungen auf die Agrarstruktur vor allem in den zentralen Regionen der Rinderhaltung in Ober- und Niederösterreich, wo viele Bauern in ihrer Existenz darauf angewiesen sind.

Im Pflanzenbau hingegen sieht der Agrarökonom durchaus Spielräume, vor allem, wenn es um die Beschränkung des Düngereinsatzes geht. Er glaubt, dass es über effizientere Dünger und andere Düngemethoden, aber auch mithilfe der Digitalisierung in manchen Bereichen möglich ist, den Düngerverbrauch zu reduzieren.

Schwieriger hingegen sei die Situation im Pflanzenschutz. „Dort kommen schon jetzt kaum mehr neue Substanzen auf den Markt und wenn dann auch noch Mittel wie Glyphosat verboten werden, wird das für viele Bauern, die die für das Klima günstige Minimalbodenbearbeitung betreiben, wahrscheinlich das Aus sein.“

Zwei der wirksamsten Methoden, die der Landwirtschaft helfen könnten, die Emissionsziele rasch und ohne große Einbußen zu erreichen, sind in der öffentlichen Diskussion freilich unterbelichtet. „Die wirksamste Maßnahme wäre, alle Drainagen, die erneuert werden müssen, nicht zu erneuern, sondern die Fläche in Kohlenstoffsenken umzuwandeln, weil damit Kohlenstoff auf Flächen aufgebaut wird, auf denen sich die Bewirtschaftung kaum lohnt“, sagt Sinabell.

Die zweite Möglichkeit, die er anführt, ist überhaupt verpönt: „Während Beschränkungen sehr leicht implementiert werden, sehen wir, dass in Europa der Spielraum, den neue gentechnische Verfahren wie CRISPR/Cas für die Züchtung bieten würden, um die Pflanzen widerstandsfähiger zu machen und den Pflanzenschutzmitteleinsatz zu verringern, nicht das große Thema sind.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 14. Jänner 2023

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