Freitag, 15. November 2019

Alles bio? EU zwingt Bauern zum Nachbessern



Österreich habe die Vorschriften beim Biolandbau zu lax ausgelegt, kritisiert die EU. Vor allem die Weidepflicht habe man zu oft umgangen. Jetzt will man durchgreifen. Das könnte Tausende Biobauern zum Ausstieg bewegen.

Hans Gmeiner 


Linz. Post mit brisantem Inhalt flattert in diesen Tagen 18.000 der insgesamt rund 24.000 österreichischen Biobauern ins Haus. In einer „Sonderinformation“ teilen Landwirtschafts- und Gesundheitsministerium, die Landwirtschaftskammer und Bio Austria, der größte Biobauernverband, mit, dass die EU eine Straffung der Vorschriften für Biobauern verlangt. Nach Vor-Ort-Kontrollen kam Brüssel zum Schluss, dass die Biovorschriften in Österreich in einigen Bereichen allzu großzügig ausgelegt werden. Bei Bio Austria spricht man von „unterschiedlichen Auslegungen durch die EU-Kommission und nationale Behörden“.

Im Visier hat die EU vor allem die Weidehaltung von Tieren, für die es in Österreich zahllose Ausnahmen gibt. Schon asphaltierte Wege oder Entfernungen zu Wiesen von mehr als 200 Metern reichen aus, um eine Ausnahme von der Weidepflicht in Anspruch nehmen zu können. Bis Mitte Dezember, spätestens aber im Frühjahr 2020, müssen die Biobauern für ihre Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde Lösungen finden. Im schlimmsten Fall müssten sie aus dem Biolandbau aussteigen.

Die Größenordnungen sind derzeit noch nicht absehbar. In Agrarkreisen geht man aber von „etlichen Tausend“ Bauern aus, die nun einen Weg finden müssen. Besonders betroffen sind dem Vernehmen nach Rinderhalter in Gebieten, in denen Alm- oder Weidehaltung nur wenig Tradition hat. Vor allem in den Regionen nördlich der Alpen in Salzburg, Oberösterreich, in Niederösterreich und selbst im Burgenland nutzten viele Bauern die Möglichkeiten, um am Boom um die Biomilch teilzuhaben.

Sie haben nun dringenden Handlungsbedarf. Die offiziellen Stellen legen ihnen mit Nachdruck den Einstieg in eine Maßnahme mit der Bezeichnung „Tierschutz-Weide“ ans Herz, die vom Umweltprogramm Öpul angeboten wird, um den drohenden Schaden zu begrenzen. Wer dafür die Anforderungen nicht erfüllen kann, wird wohl auf der Strecke bleiben und – Details stehen noch nicht fest – mit großer Wahrscheinlichkeit aus Bio aussteigen müssen. Das soll dem Vernehmen nach zumindest ohne Sanktionen möglich sein. „Es wird aber wohl einzelbetriebliche Härten geben.“ Dass etwas geschehen muss, ist unumstritten. „Nun geht es darum, rasch Rechts- und Planungssicherheit herzustellen“, sagt Bio-Austria-Sprecher Markus Leithner.

Für die Entwicklung des heimischen Biolandbaus kann dieses Szenario einen herben Rückschlag bedeuten. Es ist damit zu rechnen, dass die Zahl der mehr als 24.000 Biobauern zumindest um „eine Zahl im niedrigen vierstelligen Bereich“ zurückgehen wird, wie es ein Agrarier formuliert. Nicht wenige halten das freilich für eine längst fällige Korrektur. „Der heimische Biolandbau ist in den vergangenen Jahren nicht zuletzt wegen der vielen Ausnahmen so stark gewachsen“, heißt es in der Agrarszene.

Den Bauern wird kein Vorwurf gemacht, dass sie in Anspruch nahmen, was die gesetzlichen Möglichkeiten hergaben, sagen Agrarvertreter. Ungeachtet dessen müssen sie sich aber wohl auf eine deutliche Verschärfung der Vorschriften einstellen. Denn in Zukunft muss man in Österreichs Biolandwirtschaft auch bei der Enthornung bei Rindern, beim Kupieren von Schwänzen in der Schweinehaltung und bei der Überdachung von Auslaufflächen mit strengeren Vorgaben leben. Darüber hinaus treten ab Mitte nächsten Jahres mit der EU-Bioverordnung schärfere Auflagen im Biopflanzenschutz und bei der Verwendung von Saatgut in Kraft.

In den verantwortlichen Stellen ist man sich des Zeitdrucks bewusst und bietet Hilfe an. „Bitte nutzen Sie das umfassende Beratungsangebot“, heißt es am Ende der Sondermitteilung an die Biobauern. Vorrangig sei, rasch für Planungssicherheit zu sorgen, betont Bio-Austria-Sprecher Leithner.


Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 15. November 2919

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