Freitag, 17. Juli 2020

Ackerbauern ringen um ihren Platz



Die Ackerbauern hadern mit den EU-Umweltplänen. „Die treffen vor allem die kleineren Bauern“, warnt Pflanzenbauexperte Christian Krumphuber.


Hans Gmeiner

Linz. Fünf Mill. Tonnen Getreide und Körnermais sowie vier Mill. Tonnen Silo- und Grünmais erzeugen die heimischen Ackerbauern jährlich. Dazu kommen knapp 400.000 Tonnen Ölsaaten wie Raps und Sojabohnen, 2,7 Mill. Tonnen Zuckerrüben und 740.000 Tonnen Kartoffeln. Wenn kommt, was bei der Reform der EU-Agrarpolitik, beim Green Deal und im Farm-to-Fork-Konzept, mit dem die EU Landwirtschaft umweltverträglicher machen will, in Diskussion steht, könnte es bald deutlich weniger sein.

„Da geht es nicht nur um die Einkommen von Bauern, sondern auch um Versorgungssicherheit“, warnt Christian Krumphuber von der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, einer der führenden Pflanzenbauexperten im Land. Die EU-Pläne, wie die Verdoppelung von Bracheflächen auf zehn Prozent der Ackerflächen, die Reduktion des Einsatzes von Düngemitteln um 20 und von Pflanzenschutzmitteln um 50 Prozent, gingen an die Substanz, meint er. „Wenn das kommt, wird es gefährlich für den Ackerbau.“

Die weitere Ökologisierung des Ackerbaus sei richtig, aber die Landwirtschaft stehe oft zu Unrecht in der Kritik. „Die Leute wollen regionale Produkte, aber sie wollen die regionale Produktion nicht“, sagt Krumphuber. Moderner Ackerbau und hohe Erträge seien nicht automatisch unökologisch, argumentiert der Pflanzenbauexperte. „Die Bauern arbeiten auf hohem fachlichen Niveau und es gab etwa beim Humusaufbau, bei der Resistenz der Böden gegen Austrocknung, im Pflanzenschutz und bei der Düngung deutliche Fortschritte.“ Bei der Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik müsse es daher auch darum gehen, eine „produzierende und produktive Landwirtschaft“ zu erhalten. „Denn je mehr wir die Produktion ausdünnen, desto mehr muss importiert werden.“


Weniger Produktion bedeutet mehr Importe

Exemplarisch nennt er die Entwicklung bei Ölsaaten. Der Rapsanbau sei in den vergangenen Jahren in Österreich und ganz Europa nicht zuletzt deshalb stark zurückgegangen, weil er wegen Verboten von Beiz- und Pflanzenschutzmitteln schwieriger und für viele Bauern unattraktiv geworden sei. „Stattdessen wurde deutlich mehr Palmöl und Sojaöl aus Übersee importiert“, sagt Krumphuber.

Die Ackerbauern haben nicht nur in Brüssel, sondern auch in Österreich einen schweren Stand. „In den Arbeitsgruppen im Ministerium, die seit Monaten an der Neugestaltung des Agrarumweltprogramms ÖPUL arbeiten, sind wir eine kleine Minderheit“, sagt Krumphuber. „In der Gruppe ,Ackerbau und Ökoschema‘ etwa sind wir drei von 30 Mitgliedern – so viele wie von der NGO Birdlife.“

Was in Brüssel und Wien diskutiert wird, werde vor allem die kleineren Bauern treffen, Großbetriebe könnten damit leichter umgehen, meint Krumphuber. Kleineren Schweinemästern und -züchtern, die ihr Futtergetreide selbst erzeugen, würden die Flächen besonders fehlen. Auch den durchschnittlichen Getreidebauern mit 50 bis 70 Hektar fehlen die Flächen. Zudem drohen ihnen wegen der geplanten Beschränkungen bei Düngung und Pflanzenschutz Einbußen.

Krumphuber warnt davor, die Bauern zu überfordern. „Wird zu viel verlangt, werden sich viele aus den Umweltprogrammen zurückziehen – was wohl auch nicht im Sinn der Erfinder sein kann.“


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 17. Juli 2020

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1