Dienstag, 13. Juli 2021

Eiweiß ist strategische Herausforderung

Mit einer eigenen Eiweißstrategie soll vor allem die Abhängigkeit von Sojaimporten verringert werden. Aktuelle Probleme löst sie nicht.

Hans Gmeiner 

Wien. Bis 2030 will Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) die Sojaschrot-Importe, die vor allem in der Produktion von Geflügel- und Schweinefleisch und von Eiern eine zentrale Rolle spielen, um 50 Prozent auf 250.000 Tonnen reduzieren. Das ist das zentrale Ziel der am Montag vorgestellten Eiweißstrategie. Dabei geht es vor allem darum, die Einfuhren von gentechnisch verändertem Sojaschrot aus Übersee zu verringern und den Umstieg auf die Verfütterung von gentechnikfreiem Soja voranzutreiben. Erreichen will sie das Ziel durch den Ausbau der Anbauflächen in Österreich, durch eine Prämie für Bauern, die im Rahmen von Tierwohlprogrammen Fleisch erzeugen, und durch eine Erhöhung der Effizienz in der Fütterung.

Schon jetzt ist Österreich „Europameister“ in der Eiweißproduktion. Der Anbau von Sojabohnen in Österreich hat sich in den vergangenen zehn Jahren auf 75.000 Hektar mehr als verdoppelt. Insgesamt liegt die Eigenversorgung mit pflanzlichem Eiweiß bei 80 Prozent. „Vor allem im Grünland produzieren wir mit den Wiesen das Eiweiß selbst, das wir für die Rinderhaltung brauchen“, sagt Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger.

Für die am Montag vorgestellte Strategie gibt es nicht nur Beifall. In Branchenkreisen wird kritisiert, dass es auf aktuelle Probleme keine Antworten gebe. Wegen des enorm hohen Preisunterschieds zwischen dem billigen gentechnisch veränderten und dem teuren gentechnikfreien Soja wurde in den vergangenen Monaten sogar ein Ende mancher Fütterungsprogramme vor allem bei Geflügel, die auf gentechnikfreies Soja setzen, diskutiert. Die Preisunterschiede erreichten bis zu 100 Prozent und wurden auf dem Markt kaum in Form von höheren Produktpreisen ausgeglichen. Auch wenn sich der Preisunterschied wieder verkleinern werde, werde er erheblich bleiben, befürchtet man. Für besondere Empörung sorgte in der Vorwoche zudem die Preisaktion einer Handelskette, die erstmals seit Jahren Eier aus Deutschland zum Schleuderpreis von 1,30 Euro für zehn Stück in die Regale stellte.

Sorgen macht auch die wachsende Konkurrenz zu anderen Feldfrüchten. „Wenn wir so viele Flächen für Eiweiß verwenden, kann es sein, dass wir bald Getreide importieren müssen“, heißt es. Karl Fischer, Obmann des Vereins Soja-Österreich, stößt sich daran, dass auch nach der Agrarreform kein Soja auf Stilllegungsflächen angebaut werden darf. „Es ist absurd, dass Europa Soja von zehn Millionen Hektar aus Übersee importiert, aber demnächst die europäischen Bauern vier Millionen Hektar stilllegen werden müssen.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 13. Juli 2021

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1