Donnerstag, 24. Oktober 2019

Schuss nach hinten



Dass der wegen eines höchst umstrittenen Untreuefalls verurteilte Salzburger Bürgermeister auch vor dem OGH nicht recht bekam und nun, wenn schon vielleicht nicht wirklich ein Jahr ins Gefängnis muss, sondern mit einer Fußfessel davonkommt, mag für viele nur gerecht sein angesichts dessen, dass er einen der Stadt Salzburg drohenden Millionenschaden zum Land hinüberschob. Der Sache insgesamt tut das freilich alles andere als gut. "Der Schuss kann nach hinten losgehen", schrieben die Kommentatoren der Zeitungen nicht zu Unrecht. "Am Ende stellt sich niemand mehr für solche Funktionen zur Verfügung, mit Ausnahme von Emporkömmlingen, die sich vom Rausch der Macht und Geld angezogen fühlen." Alle anderen würden es sich, befürchtet man nun vielerorts, "zwei Mal überlegen, ob sie ihren guten Ruf oder gar ihre Freiheit riskieren, wenn sie sich auf schmalem juristischen Grat in den Dienst der Allgemeinheit stellen".

Genau das tun inzwischen ohnehin längst viele. Vor allem in kleineren Gemeinden tut man sich zunehmend schwer, Personal für die politische Arbeit zu finden. "Dem Land gehen die Bürgermeister aus", erschallen da und dort Warnrufe wie jüngst in Oberösterreich. Kein Wunder, wenn man da und dort sogar mit Morddrohungen leben muss und wegen immer detaillierteren Vorschriften und einer alles durchdringenden Bürokratie Tag für Tag mit einem Fuß im Kriminal steht, weil die Gefahr überall lauert, sich im Paragrafengestrüpp zu verheddern. Laut dem Präsidenten des Gemeindebundes in Oberösterreich ist im Land ob der Enns bis zu den Gemeinderatswahlen, die in zwei Jahren über die Bühne gehen, mit 180 Bürgermeister-Rücktritten zu rechnen. "In vielen Gemeinden wissen sie nicht, wer 2021 für das Bürgermeisteramt kandidieren könnte", sagt er.

Auch anderswo sind solche Probleme nicht unbekannt. Was früher angesehen war, ist es längst nicht mehr. Öffentliches Engagement wird nicht mehr geschätzt und die ehrenamtliche Arbeit oft nicht mehr respektiert, sondern viel zu oft nichts denn kritisiert, schlecht und lächerlich gemacht. Die von Bürgermeistern genauso wie die von Gemeinderatsmandataren. Da nimmt nicht wunder, dass sich immer mehr dreimal überlegen, ob sie sich das antun sollen.

Aber nicht nur in der politischen Arbeit grassiert eine wachsende Unlust, sich für eine Funktion und ehrenamtliche Tätigkeiten herzugeben. Darunter leiden auch zunehmend die Freiwilligenorganisationen von den Feuerwehren bis zu den Rettungsdiensten, die unsere Gesellschaft in vielen Bereichen zusammenhalten und Aufgaben erfüllen und ohne die vieles nicht funktionieren würde. Sie tun sich zunehmend schwer Nachwuchs zu rekrutieren. Das mag mit einer wachsenden Bequemlichkeit der Österreicherinnen und Österreicher zusammenhängen, mit einem oft unbefriedigenden Versicherungsschutz, mit unklaren Haftungsthemen und mit zu geringer Wertschätzung. Das hat aber auch damit zu tun, dass die Anforderungen immer höher geschraubt werden. Da sind Kurse zu absolvieren und da eine Auffrischung und dort auch. Es wird immer mehr Fachwissen verlangt und die Ausbildungen werden immer spezieller. Für viele ist das zum Glück attraktiv, weil sie es schätzen, etwas lernen zu können. Viele aber scheuen davor zurück, weil sie sich das nicht antun wollen.

Im genossenschaftlichen Bereich ist das nicht anders. Die Anforderungen, die heute an Funktionäre gestellt werden, sind ungleich höher als noch vor zehn, 20 Jahren. Oft auch, weil das vom Gesetzgeber verlangt wird. Oft ist das nachvollziehbar, aber oft stellt sich die Frage, ob das wirklich sein muss, oder ob man nicht doch weit übers Ziel schießt, wenn man alle zu Steuer-, Betriebswirtschafts-oder Bankrechtsexperten ausbilden will.

Die Gefahr scheint groß, dass in Zukunft in den Gremien nur mehr Leute mit entsprechender Grundqualifikation sitzen. Studierte Betriebswirtschafter und Juristen, Steuerberater auch, Anwälte, Notare und Frauen und Männer ähnlichen Zuschnitts. Aber nicht mehr die Vertreter der Kunden und der breiten Bevölkerung. Keine Dreher, Schweißer oder Lkw-Fahrer, keine Landwirte oder Hausfrauen, keine Gewerbetreibenden oder keine Beamten. Nicht nur in Genossenschaften. Auch in den vielen anderen Einrichtungen, die in und für unsere Gesellschaft so vieles leisten, was der Staat oder andere Einrichtungen in dieser Qualität nie anbieten könnten.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 24. Oktober 2019

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