Donnerstag, 29. Oktober 2020

Das Vertrauen sinkt mit steigenden Zahlen

Gesundheitsminister Rudolf Anschober mausert sich zum Phänomen. Selten wohl hat es in diesem Land einen Minister gegeben, der sich mit so vielen Fehlern so lange hält. Und noch dazu so gut. Dem Oberösterreicher kann offenbar nichts etwas anhaben. Nicht, dass die Corona-Zahlen in den Himmel schießen, nicht, dass die Verordnungen aus seinem Ministerium selten mehr als Flickwerk und oft nichts als peinlich sind, nicht das Ampel-Chaos. Und auch nicht, dass trotz all seiner zur Schau getragenen Betulichkeit die Pandemie alles anders als im Griff, sondern vielmehr dabei ist völlig außer Kontrolle zu geraten. Anschober scheint immer noch wenig Schaden genommen zu haben. Die Menschen vertrauen ihm und seine Glaubwürdigkeit ist aller Patzer zum Trotz immer noch ungebrochen.

Anders liegt das bei Bundeskanzler Kurz. Im Gegensatz zu seinem Gesundheitsminister tut der sich zunehmend schwerer bei den Österreicherinnen und Österreichern das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit zu erhalten. Er wird als Regierungschef mit anderen Maßstäben gemessen und die Coronakrise ist, wie für manche seiner Kollegen in anderen Länder auch, dabei zu einer ernsten Prüfung für den weiteren Verlauf seiner politischen Karriere zu werden. Seine Werte haben zum Sinkflug angesetzt. Und offen ist, wo der enden wird.

"Die Zahl der Unzufriedenen steigt", konstatierte erst dieser Tage Peter Filzmaier und verwies darauf, dass derzeit nur mehr 41 Prozent der Bevölkerung mit der Corona-Politik der Bundesregierung zufrieden sind. Im Mai waren es noch 70 Prozent. "Eine Fortsetzung der Negativentwicklung in den Vertrauensdaten" aber wäre "fatal", meint der Politikwissenschafter.

Das Image des Kanzlers hat Kratzer abbekommen. Auch wenn er und seine Partei immer noch unangefochten weit vor der Konkurrenz liegen, ist inzwischen durchaus vorstellbar, dass die Corona-Krise dereinst einen Wendepunkt in seiner bisher so tadellosen Karriere markieren könnte. Kurz glänzt nicht mehr. Das Virus setzt auch dem Kanzler zu und droht ihn zu entzaubern. Er wirkt nicht mehr so souverän wie vor und zu Beginn der Krise. Er tut sich heute, in der zweiten Welle, anders als noch im Frühjahr, schwer, die Menschen hinter sich zu vereinigen und auf den gemeinsamen Kampf gegen die Pandemie einzuschwören.

Auch aus eigener Schuld. Die immer öfter unglückliche Kommunikation, die oft nur noch mehr Verwirrung stiftet, Versprechungen und Einschätzungen, die sich als falsch erwiesen, die politischen Ränkespiele, das Negieren der Opposition und die Probleme mit der Unterstützung für die Wirtschaft und vor allem den Tourismus zeigen Wirkung. Er muss sich vorhalten lassen, die Sommermonate ungenutzt verstreichen gelassen zu haben. Dazu kommen die permanenten Angriffe der Opposition.

Das kann sich für das ganze Land rächen, zumal die Lage seit Wochen außer Kontrolle zu geraten scheint. Corona frisst sich immer tiefer in das Leben der Menschen und in die Wirtschaft. Entlassungen und Firmenschließungen werden immer mehr, der Arbeitsmarkt erholt sich nicht und die Aussichten werden immer düsterer. Menschen, die sich das nie gedacht hätten, haben inzwischen ihren Job verloren und damit viel weniger Geld.

Erst dieser Tage schlug die Caritas Alarm. "Das Geld reicht am Ende des Monats kaum noch für ein volles Einkaufswagerl, die Stromrechnung ist überfällig, ein kaputter Kühlschrank reißt plötzlich ein Loch ins Familienbudget", hieß es erst in der Vorwoche von der Hilfsorganisation der katholischen Kirche. In Teilen Niederösterreichs habe man seit Jahresbeginn in den Sozialberatungsstellen um 41 Prozent und in der Steiermark um 37 Prozent mehr Erstkontakte registriert als vor Jahresfrist. Und der Druck steige mit Fortdauer der Krise weiter an.

Auch wenn das Problem im Bewusstsein der Bevölkerung noch nicht wirklich angekommen scheint, ist die Herausforderung, vor denen die Gesellschaft und das ganze Land steht, nicht mehr zu übersehen. Die Corona-Pandemie ist nicht nur kurzfristig eine Bedrohung. Sie wird unser Leben wohl langfristig beeinflussen.

Für die heimische Politik und für alle, die sich dort für Stars halten und gehalten werden und auch für all die anderen wird das noch ganz andere Herausforderungen bringen, als das derzeit der Fall ist. Und viele werden dann zeigen müssen, was sie wirklich können. Ob sie nun Kurz heißen oder Anschober oder nicht ganz so berühmte Namen haben.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 29. Oktober 2020

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