Donnerstag, 22. Oktober 2020

Eine Haltung zerfrisst das Land

Es geht um eine Bankstelle im Oberösterreichischen, die geschlossen wurde. Und um einen Bankomaten, den die Bank gerne weiterbetreiben würde, wenn sie denn nur Unterstützung bekäme, zumal in einer kleinen Gemeinde, die, wie viele andere, zu klein ist, als dass sich dort auch unter Nachsicht aller Taxen rentabel Geschäfte betreiben ließen.

Diese Unterstützung ist freilich nicht in Sicht, dafür aber reichlich Protest, der sogar lokale Medien erreichte, weil eine Pensionistenvereinigung die Chance für etwas sah, was man dort offenbar für Aktivität hält. Man rief ein paar Mitglieder zusammen, postierte sie kameragerecht für den Fotografen von der Zeitung vor der ehemaligen Bank und gab der Sorge Ausdruck, dass "die älteren Mitbürger, welche nicht mehr so mobil sind und auch über kein Internetbanking verfügen", besonders betroffen sind.

Diese Sorgen sind durchaus berechtigt. Aber die Herrschaften auf dem Bild müssen sich freilich in der Bank geirrt haben, gegen den sie ihren Protest richteten. Denn nur ein ganz geringer Teil von ihnen waren auch Kunden dieser Bank. Die allermeisten, die da fürs Foto posierten, wickelten und wickeln ihre Bankgeschäfte offenbar über andere Bankinstitute ab, fern von dem Ort, in dem sie leben und in dem sie nun vorgeben, um die Geldversorgung zu fürchten.

Untypisch ist das nicht für das Wesen der Österreicher respektive der Österreicherin. Man fordert, ohne etwas in Anspruch zu nehmen, und man verlangt um des Verlangens willen. Meist auch ohne nachzufragen nach dem Wie und dem Warum, oft aber ohne jede Bereitschaft zur Lösung eines Problems selbst irgendetwas beizutragen. Um das Wie kümmert man sich nicht, dafür hält man gleichsam automatisch andere für zuständig.

Und zu diesem Wesen gehört auch, dass sich dann auch gerne Politiker einmischen, weil sie glauben eine Chance zu sehen. Freilich nicht um eine Lösung zu finden, sondern meist nur, um in die Zeitung zu kommen und so im Gespräch zu bleiben. Zu anderem, zu mehr, gar das über Phrasen hinausgeht, reicht es meist nicht.

Die Nahversorger kennen das, die Bauern und viele andere auch, die damit kämpfen, dass es alles Mögliche und Unmögliche von ihnen gefordert wird, dass es aber niemand zu kümmern scheint, wie sie über die Runden kommen. Im Gegenteil. Sie müssen oft zuschauen, wie die Menschen aus ihrer Umgebung aus ihrem Dorf, aus ihrer Gemeinde an ihren Geschäften vorbeifahren, einem günstigen Preis nach oder irgendeinem Sonderangebot. Die lieber Waren einkaufen, die aus der Ferne kommen, als das, was vor ihrer Haustür erzeugt wird, und die lieber im Internet bestellen, als dass sie in ihrer Umgebung einkaufen.

Diese Haltung hat in den vergangenen Jahren unser Land verändert. Zutiefst. Sie hat vor allem außerhalb der Städte im sozialen und im wirtschaftlichen Leben keinen Stein auf dem anderen gelassen. Appelle aus der Politik oder Hilferufe aus den Unternehmen konnten diesen Trend selten bremsen und nie stoppen. Und auch nicht Corona, das die Regionalität in ein neues Licht rückte.

Es ist, als sei die Gesellschaft nicht aufzuhalten, unverdrossen an dem Ast zu sägen, auf dem sie sitzt. Freilich gibt es zahllose Gründe dafür, dass es so gekommen ist. Und es ist auch niemandem zu verübeln, den Zug der Zeit zu nehmen. Was es freilich zuweilen schwierig macht, ist die Doppelbödigkeit der Menschen. Weit entfernt ist man oft davon, sich selbst an das zu halten, was man fordert. Legion sind die Umfragen, in der die Konsumentinnen und Konsumenten angeben, am liebsten heimische Lebensmittel und am liebsten in Bioqualität zu kaufen. Und Legion sind die Umfragen, in denen das Fehlen von Nahversorgern, Gewerbebetrieben, Ärzten und allem was noch dazugehört, beklagt wird.

Für die, die darauf vertrauten und sich auf Nahversorgungsprojekte einließen, endete das freilich nicht selten in einem Desaster, als sie feststellen mussten, dass all das, was da laut Umfragen ermittelt wurde, nur selten im täglichen Leben, wenn es um echte Euro und Cent geht, Gültigkeit hat. Und vielen Bauern, die oft im Vertrauen auf diverse Interessenbekundungen und Umfrageergebnisse neue Wege wagen, geht es oft nicht anders.

Man kann freilich sagen, das sei das unternehmerische Risiko. Viel öfter aber scheint es so etwas wie eine Irreführung von Unternehmungen zu sein. Mit der man dann freilich nichts zu tun haben will.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 22. Oktober 2020

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