Donnerstag, 20. Februar 2020

"Leistungen müssen bezahlt werden"


Sollte es im EU-Budget Kürzungen der Agrarmittel geben, müsse es einen nationalen Ausgleich geben, fordert der oberste Bauernvertreter. Den Biolandbau gegen die konventionelle Landwirtschaft auszuspielen sei nicht zielführend.


Hans Gmeiner 


Der Präsident der Landwirtschaftskammer, Josef Moosbrugger, wünscht sich mehr Wertschätzung für die Arbeit der Bauern, die sich letztlich auch im Preis ausdrückt.

SN: Was erwarten Sie vom Sondergipfel zum EU-Budget?
Die Mittel für die Landwirtschaft dürften wohl gekürzt werden. Es heißt, für Österreichs Bauern werden 120 Mill. Euro fehlen. 

Josef Moosbrugger: Wir setzen darauf, dass Österreich für die Bauern möglichst viel herausholt und das, was fehlen sollte, aus nationalen Mitteln ausgleichen wird, damit die Bauern keine Verluste hinnehmen müssen. Denn so, wie es Brüssel plant – mehr Leistungen und mehr Auflagen für weniger Geld –, ist es für uns Bauern inakzeptabel. Wir haben in Österreich eine sehr gute Grundlage. In Sachen Nachhaltigkeit belegt die österreichische Landschaft in einem weltweiten Ranking den ersten Platz, wurde erst kürzlich bestätigt. Es sollen nicht die bestraft werden, die bisher mehr getan haben als die anderen.

Ihnen wäre eine Fortschreibung der bisherigen Agrarpolitik am liebsten? 

Ich bin für Kontinuität. Natürlich werden da und dort Anpassungen nötig sein. Etwa bei den Landschaftselementen oder manchen Auflagen. Ich bin für ein modulares System, das sowohl den Biobauern als auch ihren konventionellen Kollegen ermöglicht, sich an nachhaltigen Systemen zu beteiligen.

Aber es gibt auch Themen wie die Verteilung der Mittel, Obergrenzen für Förderungen und abgestufte Zahlungen. 80 Prozent der Mittel gehen an nur 20 Prozent der Bauern. 

Ich bin ein Anhänger des Leistungsprinzips. Grundlage soll daher die Kombination aus Fläche und Zahl der Tiere bleiben. Agrarpolitik ist nicht Sozialpolitik. Auch in Zukunft gilt, eine Förderobergrenze kann es nur für die gesamte EU geben. Ich bin aber dafür, dass man die Abstufung der Förderungen, die wir ja jetzt schon haben, weiterentwickelt. Größere Betriebe können rationeller arbeiten. Das soll sich auch in den Zahlungen auswirken.

Der Green Deal, mit dem die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Union grüner machen möchte, sorgt bei den Bauern für zusätzliche Verunsicherung. Was bedeuten diese Pläne für die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und für die Agrarreform? 


Ich halte es für falsch, den Green Deal mit der GAP zu verknüpfen. Der Green Deal ist nicht nur eine Sache der Landwirtschaft, sondern aller Wirtschaftsbereiche. Man kann nicht den Bauern neue Aufgaben im Zug der Agrarreform ohne Gegenleistung aufs Auge drücken. Das geht nicht. Wer Leistungen will, hat sie zu bezahlen. Das gilt auch beim Green Deal. 

Die EU ist mit dem Zeitplan beim neuen Budget und damit der Agrarreform weit im Hintertreffen. Womit müssen die Bauern jetzt rechnen? 

Geht man davon aus, dass man sich noch im ersten Halbjahr auf das neue EU-Budget einigt, wird wohl die Agrarreform bis zum Herbst beschlossen werden. Erst dann können wir die Strategiepläne für Österreich fertigstellen, die dann Brüssel noch genehmigen muss. Das wird wohl erst 2021 sein. Das wird das erste Übergangsjahr sein. Dann gilt es die Beschlüsse in Gesetze zu gießen, weshalb ein zweites Übergangsjahr kommen dürfte.

In Deutschland, in Spanien, in Frankreich, in Holland gibt es mitunter sehr heftige Bauernproteste und große Diskussionen um Landwirtschaft und ihre Zukunft. Von Österreichs Bauern und ihrer Vertretung ist wenig zu hören. Was ist in Österreich anders? 


Die Situation ist auch bei uns sehr herausfordernd. Aber wir haben uns in Österreich mit dem Modell der nachhaltigen Landwirtschaft deutlich anders entwickelt und schon viel von dem längst umgesetzt, was nun überall und auch von der EU gefordert wird und was die Bauern dort auf die Barrikaden gehen lässt. Wo allerdings schon auch bei uns Unzufriedenheit zu spüren ist, ist die Preisentwicklung auf dem Markt und was der Bauer fürs Produkt bekommt. Und daher gibt es von uns auch die klare Forderung an den Handel, mit den Bauern gerechter umzugehen, fairer zu werden, als das bisher der Fall ist.

Aber die Bauernpreise in Österreich liegen ja durchwegs auf internationalem Niveau, wenn nicht sogar drüber. 


Aber für die Nachhaltigkeit in der Produktion, für die höheren Standards, auch für die höheren Kosten wegen der doch sehr kleinbäuerlichen Struktur wird nicht gezahlt, was die Bauern brauchen würden. Wir vermissen die Wertschätzung. Bei den Haushaltsausgaben beträgt der Anteil für Lebensmittel bei uns mittlerweile weniger als zehn Prozent. In Europa liegt der Durchschnitt bei zwölf Prozent. Würde in Österreich vom Haushaltseinkommen so viel ausgegeben werden wie im europäischen Schnitt, hätten die Bauern bei uns um fünf bis sechs Milliarden Euro mehr Wertschöpfung. Erst das würde dann auch dem wahren Wert der österreichischen Produkte entsprechen.

Zu den Problemen in der Biolandwirtschaft, wo ja seit Monaten eine EU-Rüge für Unruhe sorgt: In der Vorwoche gab es wieder Gespräche in Brüssel. Was ist das Ergebnis? 


Klar ist, dass die Biobauern nichts falsch gemacht haben. Brüssel hat jetzt endgültig grünes Licht für die Übergangslösung gegeben, die wir ausgearbeitet haben. Für 2020 ist damit geklärt, was die Bauern zu tun haben. Was ab 2021 und danach kommt, ist noch zu verhandeln. Offen ist freilich noch, welche Rückforderungen Brüssel an Österreich stellt.

Bei den Problemen rund um die Weidepflicht wurden Schwächen in der Organisationsstruktur sichtbar. Die Kompetenzen in der Kontrolle und in der Auslegung sind zwischen Landwirtschafts- und Gesundheitsministerium aufgeteilt. Gibt es da nicht Anpassungsbedarf? 


Das ist eine Baustelle. Da ist viel zu klären und es geht aus meiner Sicht auch darum, das neu aufzustellen. Wer hat welche Verantwortungen? Wer hat welche Aufgaben? Wer macht die Kontrolle? Was gar nicht geht, ist, dass die Biokontrollstellen bei ihren Kontrollen kaum Fehler finden, dass dann aber, wenn die AMA-Kontrolle kommt, auf einmal doch deutlich mehr Verstöße gefunden werden. Das ist für mich völlig unverständlich. Da darf es keine unterschiedlichen Ergebnisse geben, die Vorschriften sind ja dieselben.

Josef Moosbrugger (*1966) ist Landwirt in Vorarlberg. Seit 1999 ist er Präsident der Landwirtschaftskammer im Ländle. Im Mai 2018 wurde er zum Nachfolger von Hermann Schultes als Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich gewählt.

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 20. Februar 2020

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