Donnerstag, 27. Februar 2020

Erstaunliche Grauslichkeiten



"Schimmel, Maden und Gestank" stand in der vergangenen Woche in allen Zeitungen. "Dotter, die eigelb sein müssten, aus denen aber pechschwarze Flecken hervorstechen" und "Auch Reste von Hühnerkot, Federn und anderer Schmutz, alles wird weiterverarbeitet". Die Zustände bei einem industriellen Eierverarbeiter im niederösterreichischen Mostviertel, der seit Jahren zu einer niederländischen Gruppe gehört, sorgten für dicke Schlagzeilen und große Aufregung allerorten. Dass dort auch Eier aus Käfighaltung unerlaubt als Freilandeier verarbeitet wurden, wie ebenfalls berichtet wurde, nimmt man bei solchen Umständen dann schon als gegeben zur Kenntnis.

Was werden sich da die zahllosen kleinen Fleischhauer, Bäcker und Bauern und die anderen gewerblichen Lebensmittelverarbeiter denken, die tagtäglich unter dem Kontrollwahn der Behörden, wie viele das nennen, und unter Auflagen und Vorschriften zu leiden haben, die für sie oft nicht nachvollziehbar sind? Die sich oft bis aufs Blut sekkiert und zuweilen nachgerade verfolgt fühlen? Die sich von pedanten Lebensmittel-und Arbeitsinspektoren Vorwürfe anhören müssen, weil sie keine Schutzhaube aufhaben, dass der Boden nicht passt und das Fenster auch nicht. Denen oft sündteure Investitionen vorgeschrieben werden, weil sich der Inspektor auf irgendeine kaum nachvollziehbare Hygienevorschrift versteift? Die von ihren Hühnern produzierten Eier, jedes einzelne, abstempeln müssen, auf dass ihre Herkunft nachvollziehbar ist bis ins Regal. Was geht in ihnen vor, wenn sie lesen müssen, dass die niederösterreichische Lebensmittelaufsicht, für die der Chef der niederösterreichischen SP und Landeshauptfraustellvertreter zuständig ist, als Erklärung nicht mehr zu bieten hat, als dass es im Vorjahr ohnehin eine Kontrolle gab, bei der keine Mängel festgestellt wurden? Sätze in den Zeitungen wie "Ein Insider berichtet von Mangel an behördlichen Kontrollen" oder "Die Betriebe erfahren oftmals im Vorfeld von Kontrollen" ließen da wohl allerorten den Blutdruck kräftig ansteigen.

Was da jetzt in Niederösterreich aufgedeckt wurde, lässt fragen, was das Kontrollsystem wert ist, das in den vergangenen Jahr mit Akribie so verfeinert wurde, dass es für kleine Gewerbebetriebe oft längst zur existenziellen Gefahr geworden ist, während es Großen offenbar immer noch genug Möglichkeiten lässt, durchzuschlüpfen und sich die Dinge zu richten. Wenn man von den Zuständen in diesem Eierwerk liest, ist zu fragen, ob die richtigen Kontrollschwerpunkte gesetzt werden, oder ob vielleicht doch nicht. Zu oft wohl legt man bei aller Engmaschigkeit, auf die man zuweilen stolz ist, den Fokus auf die falschen Dinge und übersieht dabei, was nebenan schief läuft, verrennt sich in Details, während man große Problembereiche übersieht.

Da besteht Handlungsbedarf. Zumal wenn dort Lebensmittel erzeugt werden. Es darf nicht möglich sein, dass in Unternehmen wie diesen unter Zuständen produziert wird, wie sie nun geschildert werden. Dass aus solchen Eiern, wie sie in den Medien beschrieben wurden, Backwaren, Biskotten, Nudeln und Mayonnaise hergestellt werden oder in Hotels die Eierspeis' fürs Frühstücksbuffet.

Es geht aber auch darum, die Branche, in der Unternehmungen des Zuschnitts dieses Eierwerks ihr Unwesen treiben, zu schützen. Man versteht, wenn jetzt die heimischen Eiererzeuger von einer "massiven Rufschädigung" sprechen. Schon seit zehn Jahren verzichten sie mehr oder weniger unbedankt auf die Käfighaltung von Hühnern und müssen zuschauen, wie immer noch täglich rund eine Million Eier aus Käfighaltung nach Österreich importiert werden.

Und es geht natürlich auch um die Konsumenten. Was denken wohl die, wenn sie von den Zuständen im Eierwerk lesen? Und wie kommen sie dazu, so etwas auf den Tisch zu bekommen?

Wieder zeigt sich an diesem Fall, dass die Flucht in Kontrollen und noch mehr Vorschriften und noch mehr Auflagen nicht die Lösung ist. So wie auch bei den Kälbertransporten, die in der Vorwoche ebenfalls für Schlagzeilen sorgten und bei denen nun auch die Bauern antreten müssen, um den Ruf, den verantwortungslose Geschäftemacher zertrampelt haben, wieder herzustellen.

Es braucht andere Antworten. Antworten, die solche Auswüchse gar nicht erst entstehen lassen. Auch wenn man wohl immer in Kauf nehmen muss, dass kriminelle Energie ihren Weg findet. Aber deswegen dürfen nicht die drunter noch mehr leiden, denen solches Handeln fremd ist.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 27. Februar 2020

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