Samstag, 8. Februar 2020

"Schmuddellösung" für Biobauern wirft viele Fragen auf



Was die Politik seit Wochen als Lösung des Biobauern-Problems verkauft, ist von der EU noch nicht endgültig genehmigt.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Wie der Blitz schlug vergangenen November das Ergebnis einer EU-Kontrolle in der heimischen Biolandwirtschaft ein. Die Experten aus Brüssel kritisierten die ihrer Meinung nach allzu großzügige Auslegung der EU-Bioverordnung insbesondere bei der Weidepflicht für Biotiere, bei der Überdachung von Ausläufen und auch bei der Enthornung. Nicht nur Tausenden Biobauern – 275 sind es allein in Salzburg – drohte der Verlust ihres Biostatus, auch der Ruf von Österreichs Biolandwirtschaft stand mit einem Mal auf dem Spiel.

In zahllosen Gesprächsrunden mit allen beteiligten Ministerien, Gruppen und Organisationen entwickelte man einen Entwurf, der den Schaden zumindest für heuer begrenzen soll. Im Kern geht es darum, sich mit Anpassungen bestimmter Vorschriften und Fristsetzungen für die Umsetzung bestimmter Maßnahmen über das heurige Jahr und damit vor Sanktionen zu retten. Das Konzept wurde vom für die Kontrolle im Biolandbau zuständigen Sozialministerium in insgesamt fünf Erlässe gegossen, die den für heuer drohenden Schaden begrenzen sollen.

Glücklich ist niemand mit dem, was da als Ausweg aus der Misere konzipiert wurde. Ein Biobauernberater nennt das eine „typisch österreichische Schmuddellösung“. Kritisiert wird auch das zusätzliche Körberlgeld, das den Biokontrollstellen etwa mit der kostenpflichtigen Genehmigung von Weideplänen winkt, zu denen die Bauern verpflichtet werden.

Allerorten wurde aber mit einem Mal Entwarnung gegeben. „Wir haben eine Übergangslösung“, hieß es aus der Agrarpolitik, aus der Bauernvertretung und aus den Biobauernverbänden. Nun aber stellt sich heraus, dass die grundsätzliche Zustimmung Brüssels noch aussteht. In der kommenden Woche stehen neuerliche Gespräche mit den Brüssler Beamten an, bei denen man hofft, das Ergebnis konkretisieren zu können.

Aber auch wenn Brüssel wirklich grünes Licht geben sollte, bleiben viele Fragen offen. So ist unklar, ob alle Bauern, die Biotiere weiden, bis zur Jahresmitte einen Weideplan vorlegen und prüfen lassen müssen oder ob das nur für jene Bauern gilt, die bisher Ausnahmen von der Weidepflicht beanspruchten. Ungeklärt ist auch, wie man mit Investförderungen umgeht. Und ein strittiger Punkt ist der Datenaustausch zwischen Behörden, Kontrollstellen und Bund und Ländern.

Klar ist schon jetzt, dass viele Bauern wohl um Sanktionen dennoch nicht umhin kommen. Im günstigsten Fall kommen sie mit Auflagen und Verwarnungen davon, es drohen aber auch Anzeigen bei Behörden. Im schlimmsten Fall gibt es Förderkürzungen. Wer trotz allem aus Bio aussteigen muss, braucht immerhin nichts zurückzuzahlen und auch keine Sanktionen zu fürchten.

Je länger die Kalamitäten andauern, desto mehr verlagert sich die Auseinandersetzung auf die politische Ebene. Türkise Politiker fordern inzwischen vom für das Problem eigentlich zuständigen grünen Sozialminister Anschober „rasch praktikable Lösungen“. Eine eigene Rolle spielt der ehemalige Agrarsprecher der Grünen und nunmehrige Sprecher der Biokontrollstellen, Wolfgang Pirklhuber. Er glaubt mit einem in Deutschland erstellten Rechtsgutachten nachweisen zu können, dass Brüssel Österreichs Bio-Usancen zu Unrecht kritisiert. Inzwischen gibt es auch ein Gutachten von der Universität Linz, das diese Meinung widerlegt.

Bioberater gehen davon aus, dass spätestens Klarheit herrscht, wenn die Bauern ihre Förderungsanträge stellen, „weil dann müssen sie sich mit ihrer Unterschrift zu etwas verpflichten“. Das wäre Anfang April. Am 15. Mai müssen die letzten Anträge abgegeben werden.

Das Thema ist auch dann noch nicht vom Tisch. Zum einen zeigt sich, dass die Zweigleisigkeit von Landwirtschafts- und Sozialministerium der Sache wenig dient. Und zum anderen ist offen, wie es im kommenden Jahr weitergeht, wenn die neue EU-Bioverordnung gilt.


Salzburger Nachrichten, Wirtschaft - 8. Februar 2020

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