Donnerstag, 13. Februar 2020

Neues Feindbild "Boomer"



Die einen heißen neudeutsch "Boomer", weil sie in den Kinderboom-Jahren zwischen Mitte 1950 und 1970 geboren wurden. Die anderen "Millennials", weil sie in den 80er-und 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts erwachsen wurden. Und die haben es gerade nicht leicht miteinander. Die "Millennials" sind unzufrieden und fühlen sich von den "Boomern" um ihre Zukunft gebracht. Die aber können mit der Wut, die ihnen zuweilen entgegenschlägt, wenig anfangen und ringen nicht nur um Fassung, wenn es ihnen zu heftig wird, sondern auch um Argumente, wie sie sich rechtfertigen könnten.

Seit Wochen sorgt eine in Buchform vorgelegte Analyse des Agenda Austria-Ökonomen Lukas Sustala, selbst ein "Millennial", für Aufsehen. "Die Alten hatten es besser, die Jungen schlechter" ist seine These, die aufhorchen lässt. "Zu spät zur Party", lautet der Titel seines Buches. "Ich sehe, dass meine Generation deutlich schwierigere Startbedingungen hat ins Erwachsenenleben als die vorherige", sagt er in Interviews. Als Kronzeuge dafür führt er die OECD an, die bereits vor zwei Jahren gewarnt hat, dass es für die "Millennials" deutlich schwieriger wird als für ihre Eltern, in die Mittelschicht vorzustoßen. In vielen Industrieländern seien in den vergangenen Jahre die realen Einkommen gerade der jungen Menschen gesunken, und selbst in "sehr gut ausgebauten Sozialstaaten wie Österreich" habe ein junger Mensch ein größeres Armutsrisiko als ein Pensionist. Kurzum, die "Boomer" lebten grosso modo auf Kosten des Nachwuchses.

Die wirtschaftlichen Themen sind da freilich nicht die einzigen Frontlinien, an denen sich die Jungen in einem Generationskonflikt nicht nur bei uns an dem "Boomern" reiben. Da sind ja auch Greta Thunberg und ihre Friday-for-Future-Gefolgsleute, die ihnen vorwerfen, sie im Stich zu lassen und ihre Zukunft zu zerstören. "Wie könnt Ihr es wagen zu glauben, dass man das lösen kann, indem man so weiter macht wie bislang - und mit ein paar technischen Lösungsansätzen? Ihr seid immer noch nicht reif genug zu sagen, wie es wirklich ist. Ihr lasst uns im Stich" - hält die Schwedin allen von der UNO bis zum Weltwirtschaftsforum in Davos vor.

Den "Boomern" fällt es schwer damit umzugehen, was ihnen da vorgehalten wird. Mit dem einen. Und mit dem anderen. Was sie ihrer Elterngeneration vorhielten, klang ihrer Meinung nach um keinen Deut anders, als was sie heute selbst zu hören bekommen. Oft fühlen sie sich daher zu Unrecht angegriffen, viele haben gar ein Deja-vu-Erlebnis. Vorhaltungen, dass die Alten die Pensionskassen ausgeräumt hätten, haben sie seinerzeit selbst erhoben. Gegen heute unvorstellbare Privilegien, die sich ihre Vorgängergeneration mit der Berufung auf Krieg und die Wiederaufbauarbeit geleistet hat, sind sie angerannt, rechtfertigen sie sich. Sie seien es doch gewesen, die seinerzeit maßgeblich dazu beigetragen haben, die alten Strukturen aufzubrechen. Und nun sollen auf einmal sie selbst am Pranger stehen und müssen sich Vorwürfe anhören, die denen ganz ähnlich klingen, wie sie selbst sie seinerzeit erhoben haben?

Da ist nachvollziehbar, dass ihnen das schwer fällt. Zumal auch für sie nicht alles so war, wie es jetzt oft dargestellt wird. Dass sie in einer Boom-Zeit gelebt haben, haben sie meist nicht so empfunden. Wenn sie sich in Studentenjobs verdingten, wenn sie um ihre Rechte am Arbeitsplatz und auf der Uni gerungen haben, und wenn sie mit Hilfe von Freunden ein Haus bauten, für das sie jahrzehntelang gespart hatten.

Darum fragen sie: Haben es die "Millennials" wirklich so viel schwerer als ihre Eltern? Oder ist es doch nur einer der üblichen Generationskonflikte, wie sie die Menschheit seit jeher kennt? Nur eben in einer anderen Form, in einer neuen Form? So wie sich kein Generationenkonflikt je geglichen hat, sondern immer neue Herausforderungen stellte?

Die Qualität freilich ist wohl eine andere in diesem Konflikt zwischen den "Millennials" und den "Boomern", der nun für Schlagzeilen sorgt. Und auch die Herausforderungen sind andere. Aber das war wohl immer so. Herausforderungen hat es immer gegeben. Wichtiger ist wohl, sie ernst zu nehmen.

Und da gibt es freilich Nachholbedarf. Der "Megatrend Demografie", wie es Sustala nennt, und seine Folgen für das Verhältnis der Generationen zueinander, für das Pensions- aber auch für das Gesundheits- und Sozialsystem werden von der Politik ausgeblendet und auf die lange Bank geschoben. Man will nicht hinschauen. Auch nicht die türkis-grüne Koalition. Und auch kaum eine andere Regierung auf der Welt. Das ist das eigentliche Problem.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. Februar 2020

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