Donnerstag, 6. Februar 2020

Die eine Seite und die andere



Auch wenn das in der täglichen Diskussion meist untergehen mag - Österreich ist ein wirtschaftlich sehr erfolgreiches Land. Geschätzt wird das zuweilen freilich wenig und eingeschätzt wird es mitunter oft auch falsch. Dabei gibt es Erfolg sonder Zahl. Von Unternehmen, von Regionen, von ganzen Wirtschaftszweigen und Wirtschaftssparten.

Zu diesen Erfolgsstorys zählt auch der österreichische Export. Entsprechend groß ist die Bedeutung. Erst dieser Tage zeigte sich das bei der Präsentation der ersten Zahlen für das Gesamtjahr 2019 wieder sehr deutlich. 50 Prozent der Arbeitsplätze in Österreich hängen an der Exportwirtschaft, seit Beginn der 2000er-Jahre sind die Ausfuhren der kleinen Alpenrepublik um mehr als 121 Prozent gewachsen. Ihr Wert liegt inzwischen bei rund 154 Mrd. Euro.

Österreich lebt also zu einem guten Teil vom Export von Waren und Dienstleistungen, Österreich ist ein Exportland, wie es im Buche steht. Und Österreich profitiert wie kaum ein anderes Land von offenen Grenzen, von Handelsabkommen, von der Liberalisierung des Welthandels und vom Abbau der Handelsschranken aller Art.

Dennoch ist nicht alles eitel Wonne. Zum einen, weil sich in diesem Land trotz aller Erfolge immer noch hartnäckig die Meinung hält, dass die Liberalisierung der Märkte dem Land weitaus mehr schade, als sie ihm nutze. Mitunter bestimmt sogar Angst das Denken, weil man sich als Verlierer der Entwicklung fühlt. Der Grund dafür ist wohl, dass sich für den Einzelnen die Situation subjektiv ganz anders darstellt als in den Zahlenwerken, die ihnen als Erfolge präsentiert werden. Da steht für sie die Bedrohung der eigenen Lebensgrundlage viel eher im Fokus als die Exportzugewinne, die ihnen allenfalls indirekt zugute kommen.

Die Landwirtschaft ist das Paradebeispiel dafür. Auf der einen Seite fürchten sich die Bauern wie kaum eine andere Branche vor der Globalisierung und der Billigkonkurrenz aus aller Welt, auf der anderen Seite zählen sie, zumindest was die Exportzahlen anlangt, zu den größten Siegern. Jüngst erst auf der Grünen Woche zeigte man, wohl ungewollt, wie hin-und hergerissen gerade diese Branche ist. Da wurde, wie jedes Jahr, ein neuer Exportrekord bei den Agrarprodukten gefeiert und zur gleichen Zeit wortgewaltig nach der Einführung von Klimazöllen gerufen und gegen den Abschluss des Mercosur-Handeslabkommens mit südamerikanischen Staaten Stimmung gemacht, weil man sich von zusätzlichen Rinderimporten bedroht fühlt.

In kaum einer anderen Branche ist die Situation so vielschichtig und ist von der Politik so viel Fingerspitzengefühl verlangt. Während man sich auf der einen Seite Sorgen macht, durch Billigimporte aus dem Markt gedrängt zu werden, mehren sich auf der anderen Seite die Stimmen, die sich Sorgen darüber machen, wenn Österreich etwa gegen Handelsabkommen und für Klimazölle auftritt. "Da fragt man sich, wie es sich der heimische Landwirt leisten kann, wenn Zölle auf Produkte eingeführt werden, wie etwa für die als Futtermittel unverzichtbaren Sojabohnen, die um den halben Erdball transportiert werden", hieß es jüngst in den sozialen Medien. Und man macht sich Sorgen, dass man dann heimisches Schweinefleisch nicht mehr in China verkaufen könnte, gerade jetzt, wo dort die Preise so gut seien. "Werden dann unsere Produkte auch dementsprechend mit Zöllen versehen?", fragt man.

Es gilt wohl einen Mittelweg zu finden. Einen Mittelweg, der die Chancen nicht zunichte macht, sondern es dennoch ermöglicht, sie zu nutzen. Nicht nur in der Landwirtschaft. Man muss sich freilich Sorgen machen, dass das nicht wirklich gelingt. Die Welt, gerade die Entwicklungen der vergangenen Tage rund um das Corona-Virus und China zeigen es, ist fragil wie schon lange nicht. Die gegenseitigen Abhängigkeiten sind groß.

Darauf gilt es die richtigen Antworten zu finden. Grenzbalken hochzuziehen und die Märkte mit möglichst hohen Handelsbarrieren abzuschotten gehört nicht dazu. Alleine deswegen, weil die gegenseitigen Abhängigkeiten wohl längst zu groß sind. Für ein so kleines Land wie Österreich gilt das ganz besonders. Man sollte bei allen Sorgen die Chancen nicht übersehen und was die Liberalisierung der internationalen Handelsströme und auch die von vielen in diesem Land so verteufelte Globalisierung unserem Land ermöglicht haben.

Darauf auch in Zukunft zu setzen muss ja nicht heißen, dass man jedem Handelswahnsinn Tür und Tor öffnet.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 6. Februar 2020

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